„Hier wird Natur zerstört!“: Anwohner wollen Wäldchen am Werlacher Weg in Münster retten

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Die Anwohner der Heinrich-von-Kleist-Straße wollen das Wäldchen am Werlacher Weg erhalten und demonstrierten das am Samstag beim Treffen mit unserer Zeitung. (Foto: jedö)

Protest gegen geplante Wohnbebauung / Münsterer Doppelmoral beim Klimaschutz?

Anfang Februar berichtete unsere Zeitung über den Plan der Gemeinde Münster, auf der Westseite des Werlacher Wegs auf zwei gemeindeeigenen, zusammen 4.100 Quadratmeter großen Grundstücken neuen Wohnraum zu schaffen. Als Maßnahme der „Innenverdichtung“ fassten die Gemeindevertreter wenige Tage später den Beschluss, den bislang als Grünfläche deklarierten Bebauungsplan „M11 Nord-Ost“ zu ändern. Somit dürfen und sollen dort künftig Wohnhäuser entstehen. Dafür müsste allerdings ein jahrzehntealtes Wäldchen weichen, wogegen sich Widerstand regt: Am Samstag protestierten Anwohner der Heinrich-von-Kleist-Straße (Hausnummern 50 bis 56) gegen die drohende Abholzung und warfen sowohl Bürgermeister und Gemeindevorstand als auch den vier Fraktionen der Gemeindevertretung eine Doppelmoral beim örtlichen Klimaschutz vor.

Selbst an einem Wintertag gibt ein Besuch des kleinen Walds, der rückseitig an die Gärten der Von-Kleist-Straße anschließt, nur von den Anwohnern begangen werden kann und auch von ihnen gepflegt wird, einen Eindruck von seinem biologischen Wert. Mehr als 60 Laubbäume haben die Anwohner auf dem Areal gezählt – Roteiche, Wildkirsche, Ahorn, Erle, Buche, Esskastanie. „Das Wäldchen ist ein Paradies für die Menschen und die Natur“, sagt Erich Huther, einer der 19 Anwohner, die zum Vor-Ort-Treffen mit dem Autor dieser Zeilen gekommen sind. Mit Blick auf die Tierwelt dokumentiert Huther das nicht nur mit Beobachtungen von Fledermäusen, Vögeln, Ringelnattern, Eidechsen, Erdkröten, Laubfröschen, Igeln, Spitzmäusen, Eichhörnchen, Maulwürfen, Bienen und Insekten, sondern auch mit vielen Fotos. Die natürliche „Infrastruktur“ des Biotops haben die Anwohner mit Igelburg, Insektenhotel, Totholz- und Steinhaufen sowie Nistkästen noch optimiert.

Verschwinden des Wäldchen in mehrfacher Hinsicht eine schwere Sünde

All das sehen sie vor ihrem geistigen Auge bereits dem Harvester zum Opfer fallen. „Hier wird Natur zerstört!“, sagt Huther unter Zustimmung der Umstehenden. Die Anwohner der Von-Kleist-Straße lassen keinen Zweifel dran, dass sie das drohende Verschwinden des Wäldchen in mehrfacher Hinsicht für eine schwere Sünde halten: „Die Ziele des Umweltschutzes sind beim Beschluss dieser sogenannten ,Innenverdichtung’ überhaupt nicht berücksichtigt worden“, nennt Huther den zentralen Vorwurf.

Der richtet sich sowohl an den Münsterer Gemeindevorstand (in dem Beigeordnete aller Fraktionen sowie der parteilose Bürgermeister Joachim Schledt sitzen), der den Vorschlag Wohngebiets-Erweiterung in die Gemeindevertretung eingebracht hatte, als auch an die Gemeindevertreter von CDU, FDP, SPD und ALMA-Die Grünen, die dem folgten. Vor allem von der ALMA, der sie am meisten Authentizität beim lokalen Umwelt-, Klima- und Naturschutz zugeschrieben hatten, sind die Anwohner enttäuscht. „Auf unseren Protest hin hat die ALMA nur schriftlich geantwortet, anstatt mal vorbeizukommen“, so Huther. Die SPD machte sich vor Ort ein Bild, die CDU meldete sich telefonisch und bot ein Gespräch an. Mit der FDP gab es im Rahmen der Gemeindevertreter-Sitzung einen kurzen Austausch. Mit Bürgermeister Schledt sitzen die Anwohner in ein paar Tagen zusammen.

All das geschehe aber erst auf ihre Initiative und ihren Protest hin, bemängeln die Anwohner. Von der wesentlichen Änderung in ihrer direkten Nachbarschaft hätten sie erst aus der Zeitung erfahren. Weil zwischen der Ausschusssitzung, die das Thema an die Öffentlichkeit brachte, und der beschließenden Gemeindevertreter-Sitzung nur sechs Tage lagen, blieb vor dem Beschluss kaum Zeit, um sich in die Debatte einzuklinken.

Wie geht es weiter?

Doch wie geht es am Werlacher Weg nun weiter? Die Anwohner betonen, dass sie nicht grundsätzlich gegen eine Wohnbebauung in ihrer Nachbarschaft seien. Sie halten aber die ökologisch weniger wertvolle Fläche auf der Ostseite des Werlacher Wegs für besser geeignet. Dort steht kein Wäldchen, sondern liegt ein Acker. Die Anwohner erinnern dran, dass sich zumindest ein Teil der Gemeindevertreter gut vorstellen konnte, das Katholische Familienzentrum St. Michael (das stattdessen am bisherigen Standort neu errichtet wird) dorthin zu verlagern. „Es geht uns also nicht darum, den freien Blick aufs Feld zu bewahren“, wirft eine Anwohnerin unter Nicken ihrer Nachbarn in die Runde.

Die Sorge vor der zunehmenden Geruchsbelästigung durch die Landwirtschaft weiter östlich bei Abholzung des Wäldchens und den Verlust seiner Funktion als Partikelfilter, wenn die Maschinen auf dem Feld wieder Staub aufwirbeln, werden derweil geäußert. Auch die Verkehrs- und Parkplatz-Situation sowie der Hinweis auf zunehmenden Starkregen und damit das Risiko, die nördlich gelegene Gersprenz könne auch gen Wäldchen (beziehungsweise spätere dortige Häuser) überschwemmen, kommen zur Sprache. Klar in den Mittelpunkt ihres Kampfs um den Erhalt des Biotops am Werlacher Weg stellen die Anwohner aber den Wert der teils mehr als 40 Jahre alten Bäume.

Doppelmoral im Rathaus und bei Gemeindevertretung

In ihren Augen folgten Rathaus und Gemeindevertretung einer Doppelmoral, wenn sich Münster einerseits „Klimaschutz-Kommune“ nenne, Paten für Grünflächen suche und mit einer Aktion werbewirksam „555 neue Bäume für Münster“ pflanzen wolle – und dann mit Eurozeichen in den Augen durch die Zerstörung eines gewachsenen und schon lange von Bürgern gepflegten Ökosystems das Gegenteil tue. Die Notwendigkeit, weiteren Wohnraum in der Gemeinde zu schaffen, streiten auch die (mit Häusern versorgten) Anwohner der Von-Kleist-Straße nicht ab, lassen aber den Begriff „Innenverdichtung“ nicht gelten: „Hier geht es um ein Wäldchen am Ortsrand und nicht um eine Brache wie das Frankenbach-Gelände, wo ja leider nur noch Gewerbe vorgesehen ist“, stellt ein Anwohner heraus.
Eine andere Lösung als die von den Gemeindevertretern beschlossene wollen die Anwohner in Kürze beim Treffen mit Joachim Schledt vorschlagen: Sie seien bereit, der Gemeinde das Wäldchen zum Grünflächen-Preis abzukaufen. Auch damit würde etwas Geld in die kommunale Kasse fließen und das Stück Natur mit Dutzenden Bäumen würde gerettet.

(Text: jedö)

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