Ein Besuch im Palmengarten spricht von jeher Seh- und Geruchssinn an – all die blühenden Pflanzen, all die Düfte und tropischen Früchte. Jetzt, im Jahr seines 150. Geburtstags, lädt der Palmengarten seine Gäste dazu ein, die Ohren zu spitzen und außergewöhnliche Geräusche auf sich wirken zu lassen.
An verschiedenen Orten verwandelt der Klangkünstler Lasse Marc-Riek Palmengarten und Botanischen Garten in eine subtile Klanglandschaft. „Transformationen“ lautet der Titel der Soundinstallation des international tätigen Künstlers. Da klingen Walgesänge aus dem Bootsweiher, hört man Robben, Delfine, Wasserkäfer und Geräusche, die unter Wasser entstehen, wenn sich eine vereiste Wasseroberfläche ausdehnt. Es flirrt, raschelt, surrt und summt im Bambushain. Knackende, singende und zwitschernde Laute hallen durch die wieder zugängliche Grotte. Und an der Steppenanlage branden Rufe, Jubel, Applaus auf, gepaart mit Sounds, die über Jahrzehnte hinweg an dieser Stelle tatsächlich zu hören waren: typische Geräusche von Tennis- und Krocketspielen, von Radrennen, Speerwurf, Weitsprung und Boxkämpfen.
„Nach ‚Sound Dialogues‘, Rieks Arbeit zum Jubiläum des Palmenhauses im Herbst 2019, ist ‚Transformationen‘ nun die zweite Arbeit, die der leidenschaftlichen Geräusche-Sammler im Palmengarten verwirklicht. Über die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Lasse-Marc Riek sind wir sehr glücklich. Im Jubiläumsjahr freilich mit deutlich mehr Raum – an acht ganz unterschiedlichen Stationen nimmt Riek Besucherinnen und Besucher unserer beiden Gärten in fremde, teilweise bislang ungehörte Klangwelten mit“, sagt die Leiterin des Palmengartens, Katja Heubach. Dabei greift der Künstler nicht nur auf seinen über Jahre gesammelten Schatz an Naturgeräuschen zurück. Er arbeitet auch direkt mit dem, was ihm die vielfältige Pflanzenwelt vor Ort anbietet.
„Für meine zweite Arbeit im Palmengarten und im Botanischen Garten habe ich mich intensiv mit verschiedenen Orten und Pflanzen in den Gärten auseinandergesetzt. Für die Biodatensonifikation, der Verklanglichung von Pflanzen, habe ich gemeinsam mit dem Palmengartenteam geeignete Pflanzen ausgesucht und die Signale über weitere Programme in Klang überführt“, erklärt Lasse-Marc Riek. Und Heubach ergänzt: „Dass Geräusche Pflanzen beeinflussen, das zeigen jüngste Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien. Beispielsweise scheint das Schwirren, das Bienenflügel beim Schlagen erzeugen, Blüten zur Produktion von Nektar anzuregen. Man könnte also sagen, dass Pflanzen ‚hören‘ können. Lasse-Marc Riek geht mit seinen Aufnahmen in Palmengarten und Botanischen Garten nun der Frage nach, ob Pflanzen auch selbst Geräusche produzieren, ja gar singen können.“ So hat der Künstler unter anderem eine Rose der Sorte „Grande Amore“ (Rosengarten), einen Kakaobaum (Tropicarium), eine Siskiyou-Fichte und Alpen-Hornkraut (Nordamerika Beet und Alpinum im Botanischen Garten) mit Elektroden versehen. Heubach erklärt: „Mit ihrer Hilfe können elektronische Impulse der Pflanzen in melodiöse Klänge und Tonfolgen übersetzt und in neue Zusammenhänge gebracht werden. Lassen Sie sich also von den Antworten auf die Frage bei einem Hör-Spaziergang überraschen.“
Zum Künstler
Der Klangkünstler Lasse-Marc Riek (*1975) arbeitet vielseitig mit den Geräuschen unserer Welt. Seit 1997 ist er mit Ausstellungen, Konzerten, Lehraufträgen und Workshop-Projekten international tätig und hat in Galerien, Künstlerhäusern, Kirchen und Museen gastiert. Zahlreiche Veröffentlichungen auf internationaler Ebene, radiophone Kompositionen, Stipendien, Auszeichnungen und AIR-Programme hat er in Europa, Asien, dem mittleren Osten und Afrika wahrgenommen.
(Text: PM)