Thomashütte bei Eppertshausen: Kompromiss oder Todesstoß?

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Ein Foto, das jene Wiese im Süden des Thomashütten-Geländes zeigt, auf der die jetzigen Betreiber hin und wieder gern freie Trauungen durchführen würden. Der vorherige Betreiber nutzte die Wiese unter anderem für US-Car-Treffen (Foto) und eine Reihe anderer Veranstaltungen. (Foto: jedö)

Für die existenziell wichtigen Trauungen möchten die Betreiber die Wiese südlich des Gutshofs nutzen – doch die Gemeinde stellt sich quer

Jahrelang gab es auf der Thomashütte große Veranstaltungen – auch auf der Wiese südlich des Gutshofs, zwischen dem Weg am Biergarten und dem Waldrand. Mal düsten dort die Motorräder des damaligen Betreibers durch den „Globe of Speed“, mal zeigten US-Car-Fans auf dieser Fläche ihre Autos, verbogen sich Schlangenmenschen in Glasquadern oder räkelten sich am Vatertag sogar Stripperinnen an der Stange. Seit Jens Kleiner und Ilhan Erdogan das Ausflugsdomizil mit seinem drei Hektar großen Grundstück an der Kreisstraße zwischen Eppertshausen und Messel Anfang 2020 gekauft haben und zugleich die neuen gastronomischen und kulturellen Betreiber geworden sind, sind Events selten geworden – vor allem wegen Corona. Der ganz große Trubel zählt auch jetzt, da die Pandemie nichts mehr verbietet, nicht zum konzeptionellen Ansatz der Unternehmer, die gegenüber dem Eppertshäuser Sportzentrum schon länger auch das Hotel Johannishof führen. Die beschriebene Wiese im Süden des Gutshof-Areals würden beide aber zumindest gern für freie Trauungen nutzen – und sehen das als existenziell wichtig an. Während die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises damit kein Problem hat, mauert die Gemeinde Eppertshausen. Am Dienstag trat der Streit gar auf die offene Bühne.

Es wirkte wie ein Akt der Verzweiflung, als am Ende der Eppertshäuser Gemeindevertreter-Sitzung Jens Kleiner das Mikrofon ergriff. Der Thomashütten-Betreiber hatte im Foyer auf die Bürgerfragestunde als letzten Punkt des Abends gewartet und trug sein Anliegen vor: die Wiese zwischen Gutshof und Waldrand im Sommer mehrmals für freie Trauungen nutzen zu dürfen. Die Fläche gehört zwar Erdogan und ihm, ist im Flächennutzungsplan aber als „Grünfläche“ deklariert und damit per se erstmal nicht für Veranstaltungen vorgesehen. Über den konzessionierten Bereich der Thomashütte (Gaststätte mit Pavillon, Biergarten, Innenhof und Eventscheune) hinaus würde man auf der Wiese jedoch hin und wieder gern Trauungszeremonien durchführen, da dies viele Hochzeitsgesellschaften so wünschten und bei Ablehnung woanders buchten. Gerade jetzt, wo sich Hochzeiten zu jenem Standbein entwickelten, das für einen wirtschaftlichen Betrieb des Anwesens mit seinem riesigen Grundstück unersetzlich sei.

Verweis auf die Funktion als Grün- statt Eventfläche

Mit Verweis auf die Funktion als Grün- statt Eventfläche bügelte Bürgermeister Carsten Helfmann (CDU) das Anliegen Kleiners in der Bürgerfragestunde ziemlich schnell ab. Erhellender hinsichtlich der konträren Positionen fällt dann mit etwas Abstand zur Sitzung der individuelle Austausch mit den Beteiligten aus.

Sowohl Kleiner als auch Helfmann berichten von einer gemeinsamen Videokonferenz am 30. März, an der auch die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises teilnahm. In dieser Konferenz machten Kleiner und Erdogan noch einmal deutlich, dass die gelegentliche Nutzung der südlichen Wiese – und nachrangig einer weiteren im Norden des Areals, direkt an der Kreisstraße – für den Gutshof überlebensnotwendig sei. Kleiner führt das heute so aus: „Würden wir kein Geld aus dem Betrieb des Johannishofs zuschießen, wäre die Thomashütte nach zwei Jahren Corona schon insolvent. Die Hochzeiten sind geschäftlich entscheidend, sie sind unsere einzige verbliebene Möglichkeit, mit Veranstaltungen Geld zu verdienen. Und die Leute verlangen oft einfach eine Trauung unter freiem Himmel – sonst kommen sie nicht zu uns.“

Der allgemeine Biergarten-Betrieb laufe zwar gut, „aber nur am Wochenende und bei schönem Wetter. Wenn man uns über den bislang konzessionierten Bereich hinaus nichts machen lässt, dann sind wir tot!“ Kleiner fragt überdies rhetorisch: „Wenn wir gewusst hätten, dass sich die Gemeinde mit der Genehmigung der Wiesen so schwer tut: Warum hätten wir uns dann ein Objekt mit 30.000 Quadratmetern ans Bein binden sollen? Stand jetzt können wir mit den Wiesen ja nichts anderes anfangen, als sie zweimal im Jahr zu mähen.“

Ganz ohne Ergebnis blieb die Runde am 30. März nicht: Als Folge entschied am 4. Mai der Eppertshäuser Gemeindevorstand, der Thomashütte die Nutzung einer Wiese für Veranstaltungen mit bis zu 500 Menschen zu gestatten – allerdings die nördliche, aus Sicht der Betreiber unattraktive. „Wir können keine Trauung direkt an der Kreisstraße durchführen, wo alle zwei Minuten ein Laster vorbeidonnert“, betont Kleiner. Helfmann hingegen sieht den Beschluss als „Kompromiss“. Auf dieser Basis seien „jetzt die Eigentümer gefragt, die vordere Wiese an der Straße so zu gestalten, dass man sie für Veranstaltungen vielleicht doch nutzen kann“. Bei der südlichen Wiese hingegen bleibt er hart: „Dort, am Wald, neben der Natur, da wollen wir den Charakter einer Grünfläche erhalten.“

Wiese als ungewollte Partyzone
Ein Foto vom diesjährigen 1. Mai auf der Thomashütte: Es zeigt die Hinterlassenschaften der wilden, von den Betreibern nicht zu verhindernden Party Hunderter genau auf jener südlichen Wiese, die die Gemeinde nicht für (gesittete) Trauungen freigeben will. (Foto: jedö)

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass genau diese Wiese jüngst am 1. Mai von Hunderten Ausflüglern bevölkert wurde, mit mitgebrachten Getränken und lauter Musik. „Wir hatten davon nichts, außer dass unser für teures Geld verpflichteter Musiker übertönt wurde und wir nachher stundenlang den Müll weggeräumt haben“, berichtet Jens Kleiner. Auch an den kommenden Feiertagen dürfte die Wiese – von Betreibern wie Gemeinde ungewollt – zur Partyzone werde. Das Wegschicken so vieler Menschen von der nicht umzäunten Wiese sei nicht machbar, sagt Kleiner.

Ganz aufgegeben haben die Betreiber ihre Hoffnung trotzdem noch nicht, dass die Gemeinde die Nöte der Thomashütte – gerade nach den zwei verheerenden Corona-Jahren ihrer Branche – erkennt. Ein anhaltendes Verweigern der Genehmigung der aus ihrer Sicht harmlosen freien Trauungen auf der südlichen Wiese könnte indes bedeuten, dass die Gemeinde die Thomashütte sehenden Auges in die Pleite taumeln lasse. Zumal der Bürgermeister nicht plausibel erkläre, warum man beim vorherigen Betreiber jahrelang wesentlich stärker störende Veranstaltungen auf genau jener Wiese habe laufen lassen.
Ein wenig Optimismus zeigen Jens Kleiner und Ilhan Erdogan auch deshalb noch, weil sie die Untere Naturschutzbehörde argumentativ auf ihrer Seite haben. Denn die Kreisbehörde teilt unserer Zeitung klar mit: „Die Aussagen des Herrn Kleiner sind zutreffend.“ Bei den in der Videokonferenz zur Sprache gekommenen freien Trauungen handele es sich „um das kurzzeitige Aufstellen von Bänken und einigen Tischen für einen kurzen Zeitraum von einer Stunde und eine kleine Personenzahl“. Wenn die anschließende Feier dann auf der konzessionierten Fläche der Thomashütte stattfinde, gelte mit Blick auf Trauungen im Sommer und außerhalb der zu beachtenden Brut- und Setzzeit, „dass solche kurzzeitigen, ruhigen Veranstaltungen an diesem wegnahen Ort und in diesem Umfeld keinen Eingriff in ,Natur und Landschaft’ darstellen und deshalb keiner naturschutzrechtlichen Genehmigung nach Paragraf 17, Absatz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes bedürfen“.

Bei „großen und lauten“ Veranstaltungen wäre dies zwar anders zu beurteilen – darum geht es auf der Thomashütte aber längst nicht mehr.

(Text: jedö)