Streuobstwiesen: Hotspots der Artenvielfalt

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Symbolbild Streuobstwiese (Foto: analogicus auf Pixabay)

Umweltministerin Priska Hinz stellt in Bad Soden Hessens erste Streuobstwiesenstrategie vor. Der Main-Taunus-Kreis erhält außerdem zusätzlich eine Förderung in Höhe von rund 478.000 Euro für die Errichtung eines landesweiten Streuobstwiesenzentrums.

„Mit der Streuobstwiesenstrategie schützen wir die Artenvielfalt und damit auch unser Leben und unsere Zukunft. Über 5.000 Tier- und Pflanzenarten leben auf einer Streuobstwiese, die damit zu den artenreichsten Lebensräumen in Hessen gehört. Sie sind außerdem Lebensraum zwischen zwei Welten: Sie verbinden mit ihrem Baumbestand aus Sicht vieler Tierarten die Vorteile des Waldes mit den Vorzügen blütenreicher Wiesen. Sie bieten Baumhöhlen zum Nisten, im Frühjahr Blütenvielfalt sowie Fallobst im Herbst und Winter. Von Bienen über Fledermäuse bis zum Steinkauz sind hier unterschiedlichste Insekten-, Tier- und Vogelarten vertreten,“ erklärt Hinz die Bedeutung der Streuobstwiesen für die Artenvielfalt.

Fortbestand existierender Bestände sichern

„Die Streuobstwiesenstrategie enthält deshalb eine Vielzahl von Maßnahmen, die alle einem Ziel dienen: den Fortbestand der noch existierenden Bestände zu sichern. Dazu ist Unterstützung für die Pflege alter und das Pflanzen neuer Bäume ebenso wichtig wie Hilfe bei der Mahd der Wiesen. Außerdem wird verlorengegangenes Wissen über Sorten und die fachgerechte Pflege vermittelt werden. Gleichzeitig gilt es, Anpassungsmöglichkeiten an die Klimakrise zu entwickeln. Ein landesweites Streuobstwiesenzentrum wird diese Maßnahmen zentral steuern.“ ergänzt die Ministerin.

Gründung Hessisches Streuobstwiesenzentrum

Zentraler Akteur wird das neue landesweite Streuobstwiesenzentrum. Es soll Anlauf- und Vernetzungsstelle für Kommunen, Vereine, Verbände und Privatpersonen werden. Auch die Beratung über Fördermöglichkeiten rund um das Thema Streuobst soll hier gebündelt werden.

„Unser Landschaftspflegeverband hat langjährige Erfahrung in der Streuobstthematik. Seit 30 Jahren beraten und unterstützen wir die verschiedenen Akteure in unserem Landkreis und bewirtschaften eigene Grundstücke. Jetzt freuen wir uns auf die neue Herausforderung, hier bei uns im Main-Taunus-Kreis ein landesweites Streuobstwiesenzentrum aufzubauen und damit mit unseren Kompetenzen über die Kreisgrenzen hinaus zu wirken. Wir danken dem Land Hessen für die finanzielle Unterstützung und das Vertrauen“, so die Umweltdezernentin des Main-Taunus-Kreises und Erste Vorsitzende des Landschaftspflegeverbands, Madlen Overdick.

Die Streuobstwiesenstrategie im Überblick

Erhalten: Mit dem Programm „Hotspot Streuobst“ sollen ausgewählte, landesweit bedeutsame Streuobstgebiete insbesondere für den Naturschutz weiterentwickelt werden. Für die Betreuung der Gebiete werden geeignete Partner vor Ort personell unterstützt. Sie sollen die Pflege durch Umsetzung von Förderangeboten oder kooperative Ansätze ausweiten oder zum Beispiel mit Obstwiesenbörsen oder Kelterangeboten neue Interessierte für die Streuobstnutzung gewinnen. Zudem sollen seltene und gefährdete Arten der Streuobstwiesen mit gezielten Maßnahmen geschützt werden.

Fördern: Interessierte erhalten alle Informationen zu Finanzierungsmöglichkeiten: von der Anlage und Pflege über die Verwertung bis zur Vermarktung. Die Informationen richten sich sowohl an hauptamtliche Akteure in Behörden und Landschaftspflegeverbänden, als auch an ehrenamtlich engagierte Personen in Vereinen und Verbänden sowie Privatpersonen. Das Streuobstwiesenzentrum wird zentraler Ansprechpartner für die verschiedenen Fördermaßnahmen sein.

Ausbau des Beratungsnetzwerks

Beraten: Damit Streuobstwiesen und -weiden zu einem optimalen Lebensraum für die verschiedensten Arten werden können, braucht es fachkundiges Wissen. Denn nicht nur der richtige Pflegeschnitt für die Bäume, sondern auch die Pflege des Grünlandes, Schaffung von Nistplätzen und Rückzugsmöglichkeiten sind hier zentral. Im Auftrag der Vogelschutzwarte sind bereits jetzt Beraterinnen und Berater unterwegs, um Behörden, aber auch Vereine, Verbände und Privatpersonen zur naturschutzfachlich richtigen Gestaltung von Streuobstwiesen zu beraten. Das Beratungsnetzwerk soll nun weiter ausgebaut werden. Die Biodiversitätsberatung beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen und dessen Hessischer Gartenakademie wird in die Umsetzung ebenfalls eingebunden.
Anpassen: Die Klimakrise bedroht zunehmend auch die Streuobstwiesen. Welche Folgen die Klimakrise für Streuobstwiesen hat und wie wir den Folgen begegnen können soll in einem Forschungsprojekt untersucht werden.

Die „Streuobstwiesenstrategie“ sowie das „Handbuch Streuobstwiese – Wissen rund um das hessische Kulturgut“ finden Sie als Download unter folgendem Link: https://umwelt.hessen.de/naturschutz/streuobstwiesenstrategie

Hintergrund: Lebensraum Streuobstwiese

Streuobstwiesen waren traditionell rund um die hessischen Ortschaften angelegt und trugen mit ihren Früchten zur Selbstversorgung bei. In den letzten Jahrzehnten ließ die wirtschaftliche Bedeutung der Streuobstwiesen deutlich nach und viele Obstwiesen wurden für Ackernutzung oder Bebauungen gerodet.

Streuobstwiesen haben jedoch eine herausragende Bedeutung für die Artenvielfalt. Weil sie zudem in Hessen in vielen Landesteilen traditionell landschaftsprägend sind, stehen die Streuobstwiesen hier unter gesetzlichem Schutz. Für Erhalt, Pflege und Weiterentwicklung der hessischen Streuobstgebiete wird nun bessere Unterstützung angeboten. Sie umfassen einen komplexen Verbund an unterschiedlichsten Lebensräumen für unzählige Arten und bieten einen eindrucksvollen Einblick in die Wechselbeziehungen in der Natur:
Die artenreichen Wiesen und blütenreiche Bäume sind nicht nur ein schöner Anblick, sie bieten Bienen und Hummeln, Heuschrecken und vielen anderen Insekten ein reichhaltiges Nahrungsangebot zu unterschiedlichen Blühzeiten. Die Obstbäume sind auf die Bestäubungsleistung der Insekten, vor allem der Wild- und Honigbienen angewiesen. Als Weiden geben sie den Weidetieren Nahrung und Schatten. Ein größerer Teil wird gemäht und das Heu verfüttert. Ältere, ganz oder teilweise abgestorbene Obstbäume bieten Nahrung und Nistgelegenheiten für Käfer, Wildbienen und Schlupfwespen und erleichtern Grün- und Kleinspechten die Anlage einer Bruthöhle. In diesen Bruthöhlen finden in Folgejahren viele weitere Vogel- und Fledermausarten ein Zuhause.
Streuobstwiesen für bedrohte Arten

Heruntergefallenes und hängegebliebenes Obst bietet im Herbst und Winter wichtige Nahrung für Gartenschläfer, Siebenschläfer und Rot- und Wacholderdrosseln, die aus ihren nördlichen Brutgebieten in unsere Streuobstwiesen ziehen und sich hier von liegengebliebenem Obst ernähren.

Viele seltene, in ihrem Bestand bedrohte Arten wie Steinkauz, Wiedehopf, Wendehals und Gartenrotschwanz finden in Streuobstwiesen optimale Lebensbedingungen. Hessen trägt für viele dieser Arten eine besondere Verantwortung.

(Text: PM Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz)