Altheim/Harpertshausen: Kirchenvorstände von der Wüste zum frischen Wasser gelangt

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Die Kirchenvorstände begeben sich mit der „Elisabeth 2“, einem umgebauten Kutter, auf Fahrt auf der Lahn. (Foto: privat)

Dass die Altheimer und Harpertshäuser Kirchenvorstände (KV) gemeinsam auf Klausurtagung gehen, ist nicht nur gute Tradition, sondern durch die Überzeugung motiviert, dass sie gemeinsam mehr erreichen. So machten sich am letzten Freitagvormittag die ersten Kirchenvorsteher*innen und Pfarrer Ulrich Möbus auf den Weg an die Lahn nach Marburg.

Gut angekommen brachen zuerst auf, um den dortigen Gebetsweg zu finden. Dies erwies sich als gar nicht so einfach, denn das Gelände der Marburger Diakonissen in Marburg-Wehrda ist groß und vielgestaltig. Die evangelischen Diakonissen betreiben nicht nur ein Krankenhaus, sondern auch ein Altenheim, einen Kindergarten sowie ein Tagungshaus, in dem die Kirchenvorstände untergekommen waren. Zehn Stationen galt es zu suchen und zu entdecken – der Weg führte durch eine Steinwüste und ein Labyrinth hin zu einer gartenartigen Oase, zur Quelle und Auferstehung. Bald spürten die Kirchenvorstandsmitglieder, wie diese Stationen Bedeutung für ihr Leben und das der Kirche gewinnen kann.

Auch die Ausgangssituation der Klausur – nämlich nach der Zukunft der Kirche zu fragen angesichts der kommenden Kürzung der gemeinsamen Pfarrstelle, zurückgehenden Teilnehmerzahlen an Gottesdiensten, Konfirmanden-Unterricht und anderen kirchlichen Angeboten – glich teilweise einer Steinwüste, aus der man einen Ausweg sucht. Wie bei einem Labyrinth erwies sich der Weg zum Ziel als lang. „Wie sollen wir das schaffen? Wir können das doch nicht alles auffangen“ äußerte eine Kirchenvorsteherin ihre Bedenken. Am Ende fanden die KV-Mitglieder auch die Stationen des oasenartigen Gartens, der Quelle, der Auferstehung sowie des Weidendoms, der Geborgenheit vermittelte. „Das kann man auch bei Gott und bei uns in der Kirche erfahren“, war die Entdeckung der Kirchenleute, und sie sollten auf der Tagung selbst noch spüren, wie Gemeinschaft und Zuversicht wachsen.

Am frühen Nachmittag ging es dann aber erst noch einmal in die Marburger Altstadt, die dort Oberstadt genannt wird. Beginnend an der Elisabethkirche im Lahntal ließ man sich die Geschichte der Heiligen Elisabeth erklären, kam über den Marktplatz zur alten Universität, welche die Fakultät der Evangelischen Theologie beherbergt. Zwischenzeitlich war die Nachhut der arbeitenden Kirchenvorstandsmitglieder angekommen, so dass man nach gemeinsamen Abendessen sich auf Thema der Klausur einstimmen ließ: In seiner Andacht griff Pfarrer Möbus die Frage auf, warum Jesus ausgerechnet Fischer als erste Jünger auswählt hatte. Die Antwort fand der Pfarrer in einer brasilianischen Gemeinde von Fischern: „Wer sich zu Land bewegt, der baut eine Straße und benutzt dann immer wieder den gleichen Weg. Ein Fischer aber sucht die Fische dort, wo sie sind. Deshalb sucht er jeden Tag einen neuen Weg.“ Damit war die Aufgabe des Wochenendes benannt: „Neue Wege zu den Menschen von heute suchen.“

Dafür wurden die Wünsche der Gemeindeglieder näher betrachtet, die man in einer Befragung vor zwei Monaten und an einem Gemeindeabend zu erheben versucht hatte. Weiter wurden Ergebnisse frühere Klausuren in Erinnerung gerufen. All dies füllten zwei Moderationswände von Anforderungen, die sich – fast einer Steinwüste gleich – vor den Kirchenvorstehern auftaten.

Doch Stück für Stück konnten Aufgaben abgearbeitet und Sorgen abgebaut werden. Schließlich beschloss man den Pfarrdienst weiter von Verwaltungsaufgaben zu entlasten: Wurde die Verwaltung des Altheimer Kindergartens bereits an das Dekanat mit der „Gemeinde übergreifende Trägerschaft des Dekanats Vorderer Odenwald“, kurz GÜT genannt, übertragen, so sollen weitere Aufgaben wie die Leitung bzw. Begleitung von Baumaßnahmen von Kirchenvorstand und übergemeindlichen Mitarbeitern übernommen werden. Dafür wollen die Kirchenvorstände einen Antrag an die Dekanatssynode stellen.
Bei den Gottesdiensten soll nicht an den außergewöhnlichen, gemeinsamen Gottesdiensten wie Osternacht oder Gospelgottesdienst gespart werden, aber an den sonntäglichen Gottesdiensten: Einmal monatlich wird bewusst auf einen Gottesdienst vor Ort verzichtet und in die Nachbargemeinden in Münster und Eppertshausen eingeladen. Der Konfirmanden-Unterreicht wird mit diesen Gemeinden seit kurzem gemeinsam gestaltet: „Das bedeutet am Anfang einen Mehraufwand an Absprachen“, meint Möbus, „bringt aber auf Dauer eine Entlastung für alle.“

Eine Entlastung gibt es auch, in dem der Rhythmus des Gemeindebrief etwas reduziert und das Layout in andere Hände gegeben wird. Überhaupt soll beim Gemeindebrief noch mehr mit den Nachbargemeinden zusammengearbeitet werden.

Unter dem Motto „Ansprechbar“ wird das seelsorgerliche Angebot aber sogar noch ausgebaut: Künftig ist Pfarrer Möbus jeden Freitag ohne Terminvereinbarung in der Sakristei der Kirche ansprechbar unter der Losung „Was auch immer Sie bewegt, hier können Sie mich ansprechen!“

Langsam wird deutlich, wie Kirche künftig gestaltet werden kann: „Gemeinsam sind wir stark“, ist das Bekenntnis des Pfarrers, „aber verbunden mit guten Angeboten vor Ort.“ Dabei nutzen die Gemeinden gerne neue Wege, so war Altheim beispielsweise eine der ersten Gemeinde, die Gottesdienste per Livestream auf ihrem YouTube-Kanal übertragen hat. Dafür, aber auch für das Gemeindebrief-Layout und manches andere werden in den nächsten Wochen dringend weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht.

Am Ende des Tages hatte man einiges erreicht: Der Entwurf der Pfarrstellenreduzierung kann dem Dekan vorgestellt werden, die Gottesdienst-Planung für das nächste halbe Jahre ist erledigt, und das nächste große Fest, ein Erdbeerfest am 3.Juli, ist geplant.
Nicht vergessen werden durfte die Verlosung der Preise, die man anlässlich der Gemeindegliederbefragung ausgelobt hatte: Preisträger sind Sabine und Dieter Eitel, Niklas Ziemer, Klaus Weihert sowie Heide Berger-Kobayashi. Die Preise sollen bei der Gemeindeversammlung am 10. Juli in Harpertshausen und am 17. Juli in Altheim übergeben werden.

Erleichterung und Zufriedenheit machte sich am Abendbreit, und man konnte sich tatsächlich an, ja auf das Wasser der ruhig dahinfließenden Lahn begeben. Caterer und Bootsmann warteten bereits auf die kirchliche Mannschaft, so dass man den Tag lauschig auf der Lahn schippernd ausklingen lassen konnte. „Einmalig“ waren die KV-Leute von der Fahrt und der Tagung begeistert.

Zum Abschluss besuchte man am Sonntag einen Gottesdienst des Christustreffs, eine Initiative, die sehr erfolgreich seit 40 Jahren Studenten und andere junge Leute anspricht und sie mit der Botschaft des Evangeliums für den Alltag stärkt. So kamen die Kirchenvorsteherinnen und -vorsteher am Sonntagnachmittag erschöpft und doch gestärkt wieder in Altheim und Harpertshausen an.

(Text: PM Ev.Kirche Altheim)