„Leichhof“ im Altheim vor 100 Jahren

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Autor Thomas Fuhlbrügge mit seinem neuen Altheim-Krimi „Leichhof“. Ohne zu spoilern: Die Axt spielt im Buch eine gewissen Rolle ... (Foto: jedö)

Autor Thomas Fuhlbrügge zeigt in seinem neuen Lokalkrimi, wie das Dorf zur Zeit der Weimarer Republik getickt hat

Vorweg: „Das Muna-Buch läuft immer noch am besten“, sagt Thomas Fuhlbrügge. 2020 traf der aus Dieburg stammende, in Altheim wohnende und in Babenhausen als Lehrer arbeitende Hobby-Autor einen Nerv, als er die brisante Historie des ehemaligen Militärgeländes am Münsterer Ortsrand mit einer packenden Kriminalgeschichte verband.

Mehrere hundert Exemplare dieses Werks hat er bis heute verkauft, für einen Freizeit-Schreiber ohne professionellen Verlag und Marketing im Rücken ein guter Wert. Seiner ambitioniert betriebenen Leidenschaft täte es freilich auch dann keinen Abbruch, sollte sein neustes Buch nicht an die Verkaufszahlen von „Muna“ herankommen: Über seinen eigenen Coortext-Verlag hat Fuhlbrügge gerade den Altheim-Krimi „Leichhof“ (500 Seiten, Taschenbuch für 16,99 Euro, ISBN 9783756517046) herausgebracht – und schon das nächste Vorhaben im Kopf.

Altheim im Jahr 1922

In „Leichhof“ nimmt der mittlerweile sogar ausgezeichnete Autor den Leser mit ins Altheim des Jahres 1922 – also in die Zeit der jungen Weimarer Republik, großer politischer Unruhen und ausufernder Inflation. „Ich wollte zeigen, wie das Dorf vor 100 Jahren getickt hat“, sagt der 48-Jährige. Um zunächst zu erläutern, wie seine Idee fürs sechste Werk in Romanlänge (davon das fünfte, das in Altheim und an weiteren Schauplätzen der Region, unter anderem in Dieburg, spielt) entstand: „Als ich für mein Buch ,Massengrab’ recherchiert habe, war ich auch im Ingolstädter Armee- und Polizeimuseum. Dort gab es eine Sonderausstellung zu den Morden von Hinterkaifeck.“ In diesem Einödhof in Oberbayern kam es vor genau einem Jahrhundert tatsächlich zu einer Gräuel-Serie, die nicht aufgeklärt werden konnte. Der Sechsfach-Mord zählt zu Deutschlands bekanntesten Kriminalfällen, fand literarisch auch im bekannten Kriminalroman „Tannöd“ Nachhall.

Thomas Fuhlbrügge lieferte die Begegnung im Museum die Initialzündung, das Geschehen nach Altheim zu verlegen – und den „Anlass, über eine ganz spannende Zeit zu schreiben“. Dafür befasste sich der Altheimer ausgiebig mit den geschichtlichen Fakten jener Jahre, sowohl auf nationaler Ebene (mit politischen Verschwörungen von Geheimbünden, Attentaten auf Spitzenfunktionären und den riesigen gesellschaftlichen Herausforderungen nach dem Ersten Weltkrieg) als auch auf lokaler. Dort kommen vor allem bei den männlichen Protagonisten immer wieder die Traumata der zurückliegenden Kriegsjahre und die damit oft einhergehende Verrohung zum Vorschein. Sie verschaffen Fuhlbrügge fast schon eine Art Alibi, dass in seinem Buch wieder reichlich Blut fließt und sich manche Gewalt- und Sexualfantasie Bahn bricht.

Geschichtswissen in spannender Handlung verpackt

Dies geht indes Hand in Hand mit Geschichtswissen, das in die spannende Handlung verpackt ist. Auf einem abgelegenen Hof bei Altheim werden sechs Leichen entdeckt, der Mörder scheint schnell festzustehen. Polizeidiener Adam Jost zweifelt daran und merkt schnell, dass der Fall weit über die Ortsgrenzen hinausreicht. Allzu viel darf man vorab natürlich nicht spoilern, doch beim Kreieren von Wendungen und Überraschungsmomenten schont Fuhlbrügge bekanntlich (und diesmal im besonderen Maße) auch seine Hauptfiguren nicht.

Insgesamt gelingt dem Autor ein mutmaßlich realistischeres Bild einer vom Weltkrieg jahrelang verheizten Gesellschaft, als es manche nachträgliche Huldigung von den vermeintlichen „Goldenen 20ern“ zeichnet. „Auf diesen Zug wollte ich nicht aufspringen“, sagt Fuhlbrügge, und das tut er wahrlich nicht. Stunden der Ernsthaftigkeit muss man trotz des äußerst ernsten historischen Hintergrund (der auch schon erahnen lässt, was zentrale Gründe für die Machtübernahme der Nazis elf Jahre später gewesen sein könnten) nicht befürchten: Neben aktuellen Bezügen, etwa zur Corona-Pandemie, hat auch Fuhlbrügges schwarzer Humor wieder Raum zwischen den zwei Buchdeckeln gefunden.

Bald könnte man übrigens erneut von ihm hören: Gemeinsam mit seinem zwölfjährigen Sohn Jannik, mit dem er voriges Jahr den Altheim-Kurzkrimi „Teufelsdreck“ schrieb, plant er schon das nächste Werk. „Die Ideen sprießen weiter“, freut er sich.

(Text: jedö)