Dudenhöfer Gespräch: Als Profisportler bei medizinischer Versorgung privilegiert

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Expertenrunde zum Thema „Sport und Medizin“. (Foto: ah)

Immer mehr Menschen treiben Sport. Sie fangen früher damit an und sind noch in wesentlich höherem Alter aktiv als in vergangenen Zeiten. Waren es noch vor wenigen Jahrzehnten vor allem Menschen in der Altersgruppe zwischen Pubertät und Ende 40, die sich sportlich betätigten, so finden Kinder heute nach den Worten von Dr. Klaus Eisenbeis, dem Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie der Asklepios Klinik Seligenstadt, häufig schon im Alter von vier bis sechs Jahren zum Sport.

Und selbst mit Menschen im Alter über 80 Jahren, die sich eine Sportverletzung zugezogen haben, hat Eisenbeis regelmäßig zu tun: Da sind dann die Folgen eines Sturzes auf dem Golfplatz oder eines Unglücks mit dem E-Bike im Wald zu behandeln. Orthopädie und Unfallchirurgie sind nach den Worten von Eisenbeis „untrennbar auch mit dem Sport verbunden“.

Die Seligenstädter Klinik sei dafür gut aufgestellt: Sie unterhalte enge Verbindungen etwa zu den Handballern des Drittligisten HSG Rodgau Nieder-Roden und betreue ebenso die „Löwen Frankfurt“, die in der Deutschen Eishockey Liga spielen, sagte Eisenbeis, der auch Sportmediziner ist.

„Sport und Medizin“ – diesem Thema hatte der Förderkreis für kulturelle Projekte Dudenhofen das erste „Dudenhöfer Gespräch“ gewidmet, das vor Kurzem in den Räumen der Rodgauer Baustoffwerke in Rodgau stattfand. Rund 30 geladene Gäste, darunter Vertreter örtlicher Sportvereine, ehemalige und heute noch aktive Sportler, wohnten der Veranstaltung bei, die Förderkreis-Vorsitzender Hans-Jürgen Lange als „Pilotprojekt“ bezeichnete – was darauf schließen lässt dass es bei der Premiere nicht bleiben soll. Landrat Oliver Quilling (CDU) wies in seinem Grußwort auf die 280 Sportvereine im Kreis Offenbach mit rund 90.000 Mitgliedern hin.

Viele Vereine hätten sich mit ihren Angeboten auf Gesundheit und Sport spezialisiert. Prävention und Nachsorge etwa in Herzsportgruppen oder nach Krebserkrankungen spielten dabei eine wichtige Rolle.

Medizin auf breiteres Altersspektrum der Sportler eingestellt

Die Medizin hat sich auf das breitere Altersspektrum der Sportler eingestellt. Ist ein Eingriff erforderlich, könne man Menschen in jedem Lebensalter betäuben, hob Dr. Frank Müller-Hillebrand, der Chefarzt der Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin der Asklepios Klinik Seligenstadt, hervor. Nicht bei jeder Verletzung, die behandelt werden müsse, sei gleich eine klassische Vollnarkose nötig. In vielen Fällen reiche eine Teilbetäubung aus. Es gelte, Narkose und Operation aufeinander abzustimmen, „damit das optimale operative Ergebnis für den Betroffenen herauskommt“. Auch wenn es bei sehr alten Menschen „Narkosereste“ geben könne, dürfe dies kein Argument dafür sein, mit dem Sport oder mit körperlichen Aktivitäten überhaupt aufzuhören, machte Müller Hillebrand deutlich.

Zu den Podiumsgästen der von der evangelischen Pfarrerin Heike Zick-Kuchinke aus Hanau-Steinheim moderierten Diskussionsrunde gehörte der bayerische Landtagsabgeordnete Berthold Rüth (CSU), der auch Vorsitzender des dortigen Landessportbeirats ist. Zuletzt habe man sich in dem Gremium sehr stark mit der Coronapandemie beschäftigt, sagte Rüth. Aktuell stehe die Energiekrise im Vordergrund. Dabei gehe es etwa um die Frage, wie sich Geld „freischaufeln“ lasse, um die Vereine in der aktuellen Situation finanziell zu unterstützen. Bayern ist nach Rüths Worten bei den Angeboten zur medizinischen Betreuung für Profi- und Leistungssportler „gut aufgestellt“.

Michael Stegmayer, Teammanager des SV Darmstadt 98, war früher selbst Fußballprofi und wechselte 2012 nach Darmstadt. Dort erlebte er den Aufstieg des Vereins in die zweite und in die erste Fußball-Bundesliga mit. Als Spieler habe er in Darmstadt seine „schönste Zeit“ verbracht, verriet er beim „Dudenhöfer Gespräch“. Er beschrieb die Anstrengungen des Vereins zur medizinischen Betreuung seiner Sportler: Als er 2016 seine Spieler-Karriere beendet habe und Teammanager geworden sei, habe er den Auftrag bekommen, die medizinische Abteilung des Vereins „größer aufzubauen und zu professionalisieren“. Wichtig sei nicht nur eine gute orthopädische und internistische Versorgung der Spieler, sondern es gehe gerade bei Profi-Sportlern auch um Ernährung und Prävention.

Sport und Medizin “enge Partner”

Sport und Medizin bezeichnete Peter Dinkel als „enge Partner“. Der Ehrenvorsitzende des Sportkreises Offenbach wies auf Aktivitäten wie „Rudern gegen Krebs“, Koronargruppen für Menschen, die sich einer Herzoperation unterziehen mussten, in vielen Sportvereinen und das Projekt „Gesund älter werden bewegt“ hin. Dinkel, selbst 82 Jahre alt, sagte, Sport sei im Alter nicht so wichtig, „aber die Bewegung ist wichtig“.

Wenn sich vor 50 Jahren ein Fußballspieler auf dem Spielfeld verletzt habe, sei ein Sanitäter gekommen, erinnerte sich der 89 Jahre alte Fritz Klein, der früher beim TSV Dudenhofen spielte und zu den Zuhörern gehörte. Man sei mit dem Rad zum Spiel und danach wieder nach Hause gefahren. Erst dort habe man sich waschen oder duschen können. Damals sei alles ganz anders gewesen. Auch Erwin Klein, der einst acht Jahre in Aschaffenburg Fußball spielte, wies auf die Unterschiede zu früher hin: Zu seiner Zeit habe es bei Heimspielen eine Physiobetreuung gegeben; „auswärts war man alleingelassen“. Er begrüße es, dass es heute eine intensive medizinische Betreuung im Leistungssport gebe. Janina Kämmerer, Deutsche Tischtennis-Meisterin im Mixed 2020, die in Babenhausen für den TSV Langstadt spielt und ebenfalls die Diskussion verfolgte, bestätigte, dass man als Leistungssportler medizinisch gut versorgt werde. Tischtennis sei allerdings kein so körperbetonter Sport wie Fußball.

Reinhard Pietschmann von der HSG Rodgau Nieder-Roden, sprach von einem Spagat: Einerseits sei man im Handball-Amateurbereich aktiv, komme mit der Dritten Liga der Herren und der Damen sowie der Jugend-Bundesliga langsam aber in den Profisport herein. Je weiter sich die HSG mit ihren 20 Mannschaften sportlich entwickelt habe, desto mehr habe man sich Gedanken über die medizinische Betreuung der Spieler machen müssen, die zum Teil dreimal in der Woche trainierten. Das sei aber auch eine finanzielle Frage. Mit der Asklepios Klinik Seligenstadt und Eisenbeis habe man einen kompetenten Partner für die medizinische Versorgung gefunden.

„Riesendiskrepanz“ bei Qualität der sportmedizinischen Versorgung zwischen Profi- und  Amateursport

Nach Ansicht von Eisenbeis besteht eine „Riesendiskrepanz“ bei der Qualität der sportmedizinischen Versorgung zwischen dem Profi- und dem Amateursport. Im Amateursport „geht ganz viel über das Ehrenamt“; Ärzte und Physiotherapeuten engagierten sich dort „nicht, weil sie Geld dafür bekommen, sondern weil sie daran hängen“. Diese Betreuung könne nicht so intensiv wie im Profisport sein. Wenn die Handballer der HSG Rodgau Nieder-Roden kurzfristig zur Diagnose in die Asklepios Klinik Seligenstadt kommen könnten, „dann ist das schon etwas für einen solchen Verein“.
Beim SV Darmstadt 98 sind zwei Orthopäden und ein Internist als Mannschaftsärzte, drei fest angestellte Physiotherapeuten und ein externer Physiotherapeut für die Fußball-Profis tätig. Man wisse im Fußball-Profigeschäft schon, „dass wir da privilegiert sind“, machte Stegmayer deutlich. Aber „unsere Spieler sind unser Kapital; wir müssen die Spieler einfach fit halten“. Den SV Darmstadt 98 beschrieb Stegmayer als „soliden Zweitligisten“. Bei Vereinen wie Eintracht Frankfurt, Bayern München oder Borussia Dortmund sehe es „da noch einmal ganz anders aus“. Dinkel machte deutlich, die Vereine „leben vom Geld“. Die bestehende „riesige Diskrepanz“ zwischen Amateur- und Profisport „wird sich auch nicht ändern“: Je höher ein Verein komme, desto mehr Geld stehe zur Verfügung – und dementsprechend „eine bessere medizinische Betreuung“. Ein Vereinsvertreter im Publikum wies auf die niedrigen Mitgliedsbeiträge vieler Sportvereine hin. Manche Eltern, deren Kind die Vereinsangebote wahrnehme, erwarteten, dass für zehn oder zwölf Euro im Monat „alles mit abgedeckt“ sei: „Eigentlich müsste man sagen, das Kind zu betreuen, kostet 25 Euro im Monat.“ Dann würden die Vereine aber „ausbluten“. Dinkel befürchtet nach Corona eine weitere Austrittswelle, weil viele Menschen ihre Energierechnung nicht mehr bezahlen könnten und bei den Vereinsbeiträgen sparten.

Er nehme aus dem „Dudenhöfer Gespräch“ mit, dass man im Landessportbeirat nicht nur über Geld reden dürfe, sondern sich auch dem Thema Gesundheit mehr widmen müsse, sagte Rüth. Ein gesunder Sportler verursache keine Kosten für die Krankenkassen; dies wirke sich auch volkswirtschaftlich aus. Die medizinische Betreuung im Amateurbereich werde „so bleiben, wie es ist“. Stegmayer sprach die „gesellschaftliche Verantwortung jedes Einzelnen“ an. Der Amateursport lebe vom Ehrenamt; „das ist das Entscheidende“. Man müsse versuchen, das Ehrenamt zu fördern, „damit die Amateurvereine auch wirklich überleben“. Eisenbeis wies auf das soziale Engagement und die Sponsoring-Aktivitäten der Asklepios Klinik Seligenstadt hin. Die Klinik könne einen kleinen Beitrag leisten, damit die große Diskrepanz bei der medizinischen Versorgung von Amateur- und Profisportlern „etwas kleiner“ werde.

(Text: es)