Ausbildungsmesse in Münster: Fehlende Motivation ist der häufigste Mangel

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30 Firmen warben bei der ersten Ausbildungsmesse der Schule auf der Aue um Azubis. (Foto: jedö)

„Fachliche Mängel sind zweitrangig, denn Fachkenntnisse kann man lernen“, sagt Tobias Struckmeier am Freitagmittag. In der Münsterer Gersprenzhalle zählt der angehende Meister der Mechatronik für Kälte- und Klimatechnik zu mehreren Mitarbeitern der Dieburger H&L Anlagenbau GmbH, die ihr Unternehmen bei der ersten Ausbildungsmesse der benachbarten Schule auf der Aue vorstellen. 29 weitere Firmen, überwiegend aus Dieburg, Münster und Eppertshausen, tun es dem Klimatechnik-Betrieb aus der Gersprenzstadt gleich und werben unter den Acht- bis Zehntklässlern um Auszubildende. Alle bieten berufliche Perspektiven, doch viele vermissen mit Blick auf die Bewerber vor allem eins: die Motivation.

Wobei auch Struckmeier differenziert: Man finde durchaus noch gute junge Leute, die ihren Weg gingen und sich für ihren Arbeitgeber einsetzten. In jedem Lehrjahr bildet H&L Anlagenbau als rund 40-köpfiges Unternehmen zwei bis drei neue Menschen aus, meist zum Mechatroniker für Kälte- und Klimatechnik sowie zum Anlagenmechaniker für Heizung und Sanitär. Erst in jüngerer Vergangenheit habe man über die betriebseigene Ausbildung wieder tolle Mitarbeiter gewonnen, sagt er und deutet auf einen jungen Kollegen am Stand. Trotzdem konstatiert Struckmeier: „Die Qualität der Bewerber hat insgesamt schon nachgelassen.“

Womit zuvorderst gar nicht mal Defizite bei den Noten oder Unvermögen in Mathe und Deutsch gemeint seien, sondern eine zentrale Eigenschaft für Lehrlinge fast jeden Berufs: „Die Motivation ist das Problem.“ In der Folge sei etwa bei den Mechatronikern für Kälte- und Klimatechnik firmenübergreifend „die Abbruchrate relativ hoch“. Oft fehle den Azubis auch das Gespür, dass sich der Betrieb auch auf sie verlassen können muss, beispielsweise bei Aufträgen, die nur im Team erledigt werden können. Ein Kollege wirft ein, es gehöre „auch mal dazu, dass man zur Arbeit geht, wenn man ein bisschen Kopfweh hat“.

Viele auf der Messe klingen ähnlich: Sie scheren die Azubis in spe nicht über einen Kamm, monieren aber teils fehlenden Einsatz. Ahmed El-Makhtari leitet die Münsterer Kläranlage, in der er vor 20 Jahren selbst Azubi war. Nun sucht die Gemeinde für nächstes Jahr jemanden, der eine Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik beginnen möchte. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Abwassermeister sowohl einen sehr guten Azubi als auch einen Abbrecher erlebt. „Bei dem hat der letzte Biss gefehlt. Manchmal braucht es in der Ausbildung einfach den Willen, mal was durchzuziehen.“ Das sei schlussendlich entscheidender als die Noten, obgleich die Gemeinde Münster vom neuen Azubi „mindestens einen guten Hauptschulabschluss“ erwarte.

Ein paar Meter weiter klären am Stand der Barmer Vertrieblerin Ulrike Wolf und Janina Selch über die kaufmännische Ausbildung im Gesundheitswesen auf. Die Krankenkasse sei „mit den Azubis, die wir haben, zufrieden“, sagt Wolf. Selch ist eine von ihnen, strebt gerade aufs Ende ihres ersten Lehrjahrs zu. Die Schaafheimerin hat sich nach dem Abitur nicht für die Hochschule, sondern die Ausbildung entschieden: „Ich wollte niemals studieren. Irgendwann ist es mal Zeit, Geld nach Hause zu bringen“, lacht sie und weiß, dass Abiturienten ihren Weg eher selten beschreiten.

Ein Lächeln auf dem Gesicht hat am Freitagmittag auch Sandra Seibel. Die Vorsitzende des Schulelternbeirats der Aue-Schule hat die Messe seit vergangenem Herbst organisiert. „Ich fand, dass den Münsterer Schülern so was noch gefehlt hat“, schildert sie ihren Antrieb. Nun sei es „total schön, dass so viele Firmen da sind“. Im Sommer werde man evaluieren, inwiefern die dreieinhalbstündige Veranstaltung konkrete Ausbildungsverhältnisse angebahnt habe. Nächstes Jahr erneut? „Es wird was folgen“, verspricht Seibel. „Es ist aber noch offen, wann.“

(Text: jedö)