Odenwaldkreis: Landrat eröffnet Ausstellung über Russlanddeutsche und wirbt für mehr Verständnis

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Informativ: Projektleiter Eugen Eichelberg erläutert Landrat Frank Matiaske eine Tafel der Wanderausstellung. Ihm hört auch Ute Naas vom Kulturmanagement des Odenwaldkreises interessiert zu. (Foto Konstantina Koch/Kreisverwaltung)

„In Russland sind wir die Deutschen – in Deutschland sind wir die Russen“. Diese Aussage steht sinnbildlich für das Empfinden vieler Russlanddeutscher. Um Verständnis für die rund 4,5 Millionen Menschen dieser Bevölkerungsgruppe zu entwickeln und damit ihre Integration weiter zu fördern, wurde die Wanderausstellung „Deutsche aus Russland. Geschichte und Gegenwart“ von der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland mit Mitteln des Bundesministeriums des Innern und für Heimat ins Leben gerufen. Diese gastiert bis 30. Juni dieses Jahres bereits zum zweiten Mal im Odenwald – im vergangenen Jahr war sie verkürzt in Michelstadt zu sehen.

Landrat Frank Matiaske eröffnete die Ausstellung gemeinsam mit Projektleiter Eugen Eichelberg am Donnerstagabend im Landratsamt. In seiner Eröffnungsrede betonte Matiaske die Bedeutung der Veranstaltungsreihe: „Diese Wanderausstellung führt uns in ein ganz besonderes Kapitel deutscher Geschichte. Bewusst wurde es wohl den meisten von uns erst, als viele Russlanddeutsche in den 80er- und 90er-Jahren zu uns kamen. Seitdem sind sie und ihre Nachkommen unsere Nachbarinnen und Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen, Mitschülerinnen und Mitschüler. Viele wissen aber noch immer wenig darüber, was die Menschen zu uns geführt hat. Darüber zu informieren, ist das Ziel dieser Ausstellung. Ich bin stolz, dass sich unser Kreistag mit einer breiten Mehrheit dafür ausgesprochen hat, diese Reihe zu uns zu holen und sich damit zu diesem wichtigen Thema bekannt hat.“

Raum für Auseinandersetzungen mit der Geschichte

Gerade vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, der damit verbundenen aktuellen Flüchtlingssituation und den daraus resultierenden Debatten in Deutschland sieht sich der Odenwaldkreis in der Verantwortung, Raum für Auseinandersetzungen mit der Geschichte, aber auch mit der Gegenwart zu geben und für aktuelle Entwicklungen zu sensibilisieren. Auch viele Gliederungen und Mitglieder der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland engagieren sich für Flüchtlinge aus der Ukraine.

„Der genaue Blick lohnt sich und beugt Missverständnissen und Vorurteilen vor“, konstatiert Matiaske und führt aus: „Das Zusammenleben von Menschen vieler Kulturen bringt etliche Herausforderungen mit sich, birgt aber immer auch viele Chancen – durch das bessere Kennenlernen entwickelt man schließlich mehr Verständnis füreinander. Heute thematisieren wir dies mit Blick auf Deutsche aus Russland, worüber ich mich sehr freue. Denn wenn man mehr weiß, können bestehende Barrieren abgebaut werden – durch Information.“

Eichelberg ergänzte: „Wir wissen sehr wohl, wieviel Leid Diktaturen und Krieg über die Menschen bringen können. Es gibt kaum eine russlanddeutsche Familie, die von diesem Leid verschont geblieben wäre“. Es sei daher wichtig aufzuklären, auch, um die über Generationen hinweg entstandenen Traumata zu verarbeiten. „Nie aufgeben“, so laute das Motto zahlreicher Russlanddeutscher. Eichelberg sagte, dass ihre Mentalität vor allem auf den Attributen Arbeit, Fleiß und Mut fuße, Erfolgsgeschichten würden dies untermauern, etwa die der Schlagersängerin und Entertainerin Helene Fischer.

Emotional bewegende Vergangenheit und Gegenwart der Russlanddeutschen

29 Informationstafeln mit zahlreichen Fotos, Bebilderungen, Grafiken und Text führen die Besucherinnen und Besucher durch die gleichsam bewegte wie emotional bewegende Vergangenheit und Gegenwart der Russlanddeutschen. Diese reicht von den Anfängen der Migrationsbewegungen vor über 250 Jahren, seinerzeit gefördert durch den Aufruf der Zarin Katharina der Großen, über die Massenmigration im 18. und 19. Jahrhundert und die großen Leistungen der deutschen Auswanderer sowie die beiden Weltkriege, die schließlich für die Russlanddeutschen durch Verfolgung und Vertreibung mit großem Leid verbunden waren, bis hin zur großen Rückmigrationswelle in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ebenso kommen verschiedene Historiker und Zeitzeugen ausführlich zu Wort, nicht zuletzt sind auch das heutige Leben und die Kultur im Fokus des Rundgangs.

Auf dieser spannenden Reise durch die Epochen gibt es für nahezu alle Altersgruppen vieles zu entdecken – ob Schulklassen, interessierte Bürgerinnen und Bürger oder Russlanddeutsche, die selbst Bestandteil dieser Geschichte sind.

Alle Tafeln sind auch in der Begleitbroschüre der Ausstellung zu finden, die Besuchende kostenfrei erhalten. Darüber hinaus gibt ein eigens für die Ausstellung konzipierter Begleitfilm wertvolle Einblicke – er ist sowohl auf der Webseite der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland https://lmdr.de/wanderausstellung-film/ sowie auf YouTube unter https://www.youtube.com/watch?v=u2QToFXkLhY zu sehen.

Musikalisch begleitet wurde der Abend von Constantin Bejan von der Musikschule Odenwald auf dem Akkordeon und seinem Lehrer Alexander Ungefucht. Dieser ist selbst Russlanddeutscher. Bis vor zwei Jahren war er Lehrer an der Musikschule Odenwald und ist seither im Ruhestand. Vor dem abschließenden Rundgang durch die Ausstellung fand noch eine Diskussionsrunde unter den Teilnehmenden statt, die verschiedene Aspekte der Thematik beleuchtete.

Die Ausstellung „Deutsche aus Russland. Geschichte und Gegenwart“ ist noch bis zum 30. Juni zu den Öffnungszeiten der Kreisverwaltung im Landratsamt Erbach im 2. Obergeschoss zu besichtigen. Für individuelle Terminvereinbarungen steht Ute Naas, Kulturmanagement, unter der Telefonnummer 06062 70-217 oder via E-Mail an kultur@odenwaldkreis.de zur Verfügung. Im Rahmenprogramm zur Ausstellung sind noch zwei Zeitzeugengespräche mit Heinrich Seifert (Michelstadt) geplant, die voraussichtlich am 1. und 29. Juni stattfinden werden, detaillierte Informationen dazu folgen noch gesondert.

(Text: PM Odenwaldkreis)