Stefan Koob ist neuer leitender Oberarzt der Asklepios Psychiatrie Langen

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Stefan Koob (Foto: Asklepios)

Für Akutstation und Psychosestation bleibt Stefan Koob auch weiterhin zuständig

Eigentlich wollte Stefan Koob Neurologe werden. Während des dafür erforderlichen Weiterbildungsjahres in der Psychiatrie entschloss er sich aber, die Fachrichtung zu wechseln. In der Psychiatrie könne man langfristig mit den Patienten arbeiten, sagt der 52 Jahre alte Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Das reizte ihn: Aus dem geplanten einem Jahr an der Psychiatrie des Offenbacher Klinikums wurden acht. 2015 kam Koob als Oberarzt zur Asklepios Psychiatrie Langen und übernahm dort die Leitung der Akutstation und der Station mit dem Schwerpunkt Psychosen. Seit Anfang März ist er Leitender Oberarzt.

Die Asklepios Psychiatrie Langen verfügt über 124 stationäre Betten und zwei Tageskliniken mit insgesamt 37 Plätzen in Langen und Seligenstadt. Hinzu kommen zwei Psychiatrische Institutsambulanzen ebenfalls in Langen und Seligenstadt. Versorgt werden Menschen mit psychischen Erkrankungen vor allem aus dem Kreis Offenbach, aber auch darüber hinaus. 205 Mitarbeiter sind dort derzeit tätig, darunter knapp 20 Ärzte. Immer schwieriger werde es, freie Stellen zu besetzen, sagt Koob; dies treffe die Langener Psychiatrie wie andere Krankenhäuser auch. Immer mehr Ärzte und Pflegekräfte kommen daher aus dem Ausland.

Die Langener Klinik habe sich seit ihrer Gründung 2008 kontinuierlich weiterentwickelt. Mit der Tagesklinik und der Institutsambulanz in Seligenstadt sei das Haus „näher an den Menschen“ im Ostkreis. Auch das Behandlungsspektrum sei über die Jahre gewachsen.
Im Alltag, bei der Arbeit mit Patienten, den Kollegen und in der Ausbildung der jüngeren Ärzte, werde sich für ihn künftig nicht viel ändern, sagt Koob. Als leitender Oberarzt werde er aber zusätzlich den Chefarzt der Asklepios Psychiatrie Langen, Privatdozent Dr. Harald Scherk, vertreten. Das bedeute beispielsweise, in Abwesenheit des Chefarztes Konflikte zu klären und zu entscheiden oder bei besonderen Vorkommnissen verfügbar zu sein. Ungeplant habe er diese Rolle schon einmal ausgefüllt, als er 2022 während eines Umbruchs die kommissarische Leitung innegehabt habe. Damals habe er sich mit Scherk, dem designierten zukünftigen Chef, eng abgestimmt. Er denke daher, „dass wir auch in Zukunft gut zusammenarbeiten werden“, sagt Koob.

Durchschnittlich werden 22 Patienten auf der Akutstation behandelt, wobei die Belegung stark schwankt. Manchmal wird es dort ziemlich eng. Eine Akutstation ist die Intensivstation der Psychiatrie. Hier befinden sich Menschen die aufgrund ihrer psychiatrischen Störung nicht die nötige Selbstkontrolle haben und sich selbst oder andere schädigen könnten. Die Aufnahme erfolgt teils freiwillig, aber oft werden Patienten in einer akuten Krise, beispielsweise Suizidalität, von der Polizei zur Asklepios Psychiatrie Langen gebracht. Ein Teil der Behandlungen muss mit Unterbringungsbeschluss durch den Richter erfolgen. Das ist für keinen der Beteiligten schön, aber bisweilen unabdingbar, um schwere Schäden oder Todesfälle zu vermeiden. Zu den schlimmsten Belastungen einer Akutstation gehöre, „wenn wir Leute nicht unterbringen und diese sich dann draußen suizidieren“, so Koob. Die Verzweiflung der Angehörigen sei auch für die Mitarbeiter nicht leicht zu ertragen. Als Oberarzt einer Akutstation bewege man sich ständig an einer Grenze: einerseits größtmöglichst die Freiheit und Selbstbestimmung der Patienten zu respektieren, aber andererseits einzugreifen, um eine schwerwiegende Schädigung des Patienten zu verhindern.

Oberstes Ziel einer Akutstation ist, den Patienten durch die Krise zu begleiten, bis er die nötige Selbstkontrolle zurückgewonnen und Therapieeinsicht entwickelt hat. Erst dann könne man das breite therapeutische Spektrum einer Psychiatrie ausschöpfen, macht Koob deutlich. Es gebe allerdings auch Patienten, denen die Selbstkontrolle dauerhaft fehle. Für sie gelte es, eine Pflegeeinrichtung zu finden, die nach der Entlassung aus der Akutstation stellvertretend die nötige Sorge übernehme.

Menschen mit Psychosen werden im Verlauf meist von der Akutstation auf die offene Psychosestation der Langener Klinik verlegt. Da er beide Stationen leite, kenne er diese Patienten dann schon, habe ein Verhältnis zu ihnen aufgebaut und könne dafür sorgen, dass die Therapie „aus einem Guss“ sofort weitergehe, sagt Koob. Medikamente gelten auch heute noch als unverzichtbarer Bestandteil einer erfolgreichen Therapie von Psychosen, „aber wir verfolgen heute einen multimodalen Ansatz“: Medikamente, Psychoedukation, phasengerechte Psychotherapie, Ergotherapie und psychosoziale Hilfen gehörten zusammen. Dieser multimodale Therapieansatz gelte im Grunde genommen für alle anderen psychiatrischen Störungen auch.

Bestimmte Behandlungsmethoden bietet die Asklepios Psychiatrie Langen mittlerweile als einzige psychiatrische Klinik in der Region an. Koob nennt hier die Elektrokonvulsionstherapie (EKT). Schon vor mehr als 100 Jahren hätten Ärzte beobachtet, dass sich psychische Erkrankungen nach Krampfanfällen besserten. In Frage komme die EKT bei Patienten mit Manien, Depressionen, Psychosen und Unruhezuständen. Die Patienten werden in Kurznarkose versetzt und erhalten über Stimulationselektroden einen kurzen Stromschlag, der einen epileptischen Anfall auslöst. Dadurch wird das Gehirn angeregt, neue Synapsen zu bilden, was sich positiv auf die Psyche des Patienten auswirkt. Diese Behandlungsmethode erfordere hohen personellen und fachlichen Aufwand, sagt Koob. Die Psychiatrie arbeite dabei mit den Anästhesisten der benachbarten Asklepios Klinik Langen zusammen.

Mit der EKT könne man Patienten behandeln, „die anderswo aufgegeben oder verlegt werden müssen“. Nach den Worten von Koob ist die Elektrokonvulsionstherapie bei schwersten Depressionen oder schweren schizophrenen Psychosen oft die einzige Methode, die noch gut helfe. Die Langener Psychiatrie bekomme inzwischen von anderen Kliniken Patienten zugewiesen, die mit Medikamenten nicht mehr zu therapieren seien oder bei denen körperliche Erkrankungen, etwa eine schwere Herzerkrankung, vorlägen, so dass der Einsatz von Medikamenten mit hohem Risiko verbunden wäre.

Im Laufe dieses Jahres kommt an der Asklepios Psychiatrie Langen noch ein weiteres Verfahren, die Magnetstimulation, hinzu. Dabei wird mit Magnetfeldern gearbeitet; der Patient muss nicht in Narkose versetzt werden. EKT und Magnetstimulation seien „erweiterte biologische Verfahren“, die sehr wirksam seien, sagt Koob, der die Anwendung koordiniert.

Manche Patienten kenne er schon seit 2007, macht Koob deutlich. Sie seien ihm mit seinem Wechsel zur Asklepios Klinik Psychiatrie Langen gefolgt. Sie werden kontinuierlich ambulant behandelt; zwischendurch kann auch mal ein stationärer Aufenthalt nötig werden. In der Psychiatrie, gerade in der Akutpsychiatrie und bei Psychosen, fange die richtige Arbeit erst an, wenn beim Patienten die schlimmsten Symptome gemindert seien. An diesem Punkt müsse der Patient lernen, seine Erkrankung zu akzeptieren und klug damit umzugehen. Der Patient müsse bereit sein, als „Experte in seiner eigenen Angelegenheit“ an der weiteren Therapie und Rehabilitation mitzuwirken. Viele Patienten hätten jedoch große Schwierigkeiten, ihre eigenen Einschränkungen zu erkennen. Gelinge es jedoch, den Patienten als Partner für seine eigene Genesung zu gewinnen, könne man häufig noch erstaunliche Entwicklungen beobachten. Dabei ist jedoch ein langer Atem gefragt, mehr über Jahre als über Monate.

Ob tatsächlich immer mehr Menschen an psychischen Erkrankungen leiden, wie manche Experten meinen, ist nach Koobs Worten aber unklar: „Vielleicht werden die Erkrankungen auch nur besser diagnostiziert.“ Man wisse nicht, wie viele Menschen früher psychisch erkrankt gewesen seien, aber nie deswegen einen Arzt aufgesucht hätten. Die Toleranz der Gesellschaft für psychische Erkrankungen sei größer geworden, doch die Toleranz für Beeinträchtigungen aufgrund einer psychischen Erkrankung habe sich verringert. Gerade am Arbeitsplatz sei der „Anspruch, immer gut und schnell zu funktionieren“, deutlich gestiegen. In den Firmen gebe es immer weniger Stellen, die für weniger belastbare Menschen geeignet seien. Es sei aber auch klar, dass die Krisen seit 2020 viele Menschen an die Grenze ihrer Belastbarkeit gebracht haben. „Insbesondere bei jüngeren Menschen beobachten wir gerade einen Anstieg psychischer Erkrankungen.“

(Text: PM LPR)