In der Spitze protestierten nach Angaben der Polizei auf dem Häfnerplatz in Rödermark-Urberach 220 Menschen gegen den gleichzeitig stattfindenden „Politischen Aschermittwoch” der AfD in der Kelterscheune. Die Andere Liste (AL) hatte zu der Demonstration für Vielfalt und Demokratie aufgerufen.
„Das war sehr entspannt, die Demonstration ist völlig friedlich verlaufen“, sagte Thomas Leipold, der Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Südosthessen. Leipold berichtete von Buhrufen und Pfiffen sowie einzelnen verbalen Provokationen. Da die Kulturhalle mittlerweile auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung für Parteiveranstaltungen tabu ist, war die Rechtsaußen-Partei in die Kelterscheune ausgewichen. Dort führte die selbsternannte Alternative für Deutschland mit rund 100 Teilnehmern eine geschlossene Versammlung durch. In den sozialen Medien berichtete der AfD-Kreisverband anschließend von „Volksfeststimmung“ in der Kelterscheune. Der Kreissprecher und Landtagsabgeordnete Jochen. K. Roos, der als einziger AfD-Vertreter in der Rödermärker Stadtverordnetenversammlung meist durch Abwesenheit glänzt, habe unter anderem Europa-, Bundes- und Landtagsabgeordnete begrüßen können.
Ausgerechnet die Kelterscheune, in der jährlich am Tag des Grundgesetzes die Einbürgerungsfeiern stattfinden, in der Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit quasi Programm sei, für die Verbreitung rechter Parolen zu missbrauchen, sei nicht hinnehmbar, hatte die AL im Vorfeld zu der Demonstration aufgerufen. Mit der Demo wollten die Organisatoren möglichst vielen Menschen klar machen, dass die AfD in Rödermark unerwünscht ist. Neben Plakaten nutzten die Demonstranten aus allen Altersgruppen teilweise auch Trillerpfeifen, um ihren Unmut auszudrücken. Die Polizei hatte zwischen den Demonstranten und den Besuchern der AfD-Veranstaltung eine Pufferzone eingerichtet.
Trotz der im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringeren Anzahl an Demonstranten war die Polizei mit einem großen Aufgebot vor Ort. Eine genaue Zahl der Kräfte gab die Polizei aus taktischen Gründen nicht bekannt, doch alleine in der Nähe des Häfnerplatzes standen über 30 Einsatzfahrzeuge. Die Anzahl der Einsatzkräfte habe sich an den Erfahrungen der Vorjahres orientiert, sagte Thomas Leipold. Zudem habe man nicht den Grad der Mobilisierung unter den Demonstranten absehen können. „Das ist immer eine Unbekannte in dieser Rechnung. Daher haben wir die Kräfte so angepasst, dass wir auf alle Eventualitäten und Situationen hätten reagieren können.“
In der Nähe des Häfnerplatzes stellte die Polizei laut Leipold Aufkleber sicher, auf denen eine schwarz-weiß-rote Flagge mit entsprechender Aufschrift zu sehen ist. Diese Farbkombination war von 1933 bis 1935 neben der Hakenkreuzflagge eine der beiden Nationalflaggen des „Dritten Reiches“. Die Aufkleber werden nun der Staatsanwaltschaft zur weiteren rechtlichen Prüfung vorgelegt.
Im vergangenen Jahr hatte die Stadt der AfD zunächst eine Veranstaltung in der Kulturhalle untersagt, nach einem Gerichtsbeschluss konnte die Partei ihren Politischen Aschermittwoch aber dann doch durchführen. Über 1000 Menschen demonstrierten damals vor der Kulturhalle gegen die AfD. Nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung sind Parteiveranstaltungen in der Kulturhalle mittlerweile nicht mehr möglich.
Die AfD-Veranstaltung von 2024 wirkt bis heute nach. Ehrenbürgermeister Roland Kern hatte nach dem „Politischen Aschermittwoch“ gemeinsam mit 16 weiteren Rödermärkern Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen die beiden Organisatoren Jochen Roos und Maximilian Müger sowie gegen Hauptredner Matthias Helferich gestellt. Helferich hatte in seiner Rede in der Kulturhalle unter anderem „millionenfache Remigration“ gefordert. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt sah den Anfangsverdacht der Volksverhetzung erfüllt und nahm Ermittlungen auf. Ob Anklage erhoben wird, ist noch offen.
Matthias Helferich gehörte in der vergangenen Legislaturperiode der AfD-Bundestagsfraktion nicht an, da seine Ansichten scheinbar selbst dort als zu radikal galten. Nach der Bundestagswahl wurde er aber wieder in die Fraktion aufgenommen. Maximilian Müger musste nach einem umstrittenen TikTok-Video, in dem er mit Sturmgewehr im Anschlag zum Kampf gegen Migration aufrief, aus Partei und Landtagsfraktion austreten.
(Text: PS)