Rödermark: Grundsteuererhöhung verschwindet zumindest vorerst von der Tagesordnung

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Über 150 Bürgerinnen und Bürger verfolgten die Debatte in der Kulturhalle. (Foto: PS)

Die ursprünglich vorgesehene Grundsteuererhöhung wurde in der Stadtverordnetenversammlung in Rödermark erst einmal nicht beschlossen, vom Tisch ist sie damit aber noch lange nicht. Proteste aus der Bevölkerung dürften dazu beigetragen haben, dass die entsprechende Beschlussvorlage des Magistrats von der Tagesordnung genommen wurde.

Seit Corona finden die Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung meist nicht mehr im vergleichsweise kleinen Mehrzweckraum der Halle Urberach, sondern in der Kulturhalle statt. Dies war bei der jüngsten Sitzung von Vorteil. Wo sonst meist nur eine Handvoll Zuhörer die Debatten der Kommunalpolitiker verfolgt, sorgten diesmal über 150 Bürger für eine stattliche Kulisse. Die zeigte Wirkung. Im Ältestenrat wurde kurz vor der Sitzung entschieden, die Grundsteuererhöhung und auch die ebenfalls vorgesehene Erhöhung der Kita-Gebühren von der Tagesordnung zu nehmen. Der Beschlussvorschlag sah vor, den Hebesatz der Grundsteuer B rückwirkend zum 1. Januar von 800 auf 1.250 Hebesatzpunkte anzuheben. Dadurch erhoffte sich die Stadt Mehreinnahmen in Höhe von 4,2 Millionen Euro, um damit das sich aufgetane Haushaltsloch in Höhe von 8,2 Millionen Euro, das nach dem Zugriff auf Rücklagen immer noch 6,2 Millionen Euro groß ist, zumindest teilweise zu stopfen.

Bürgermeister Jörg Rotter (CDU) begründete, auch für Kämmerin und Erste Stadträtin Andrea Schülner (AL/Die Grünen), die Entscheidung, die Beschlussvorlage zurückzuziehen. In den vergangenen Tagen seien an die Verwaltung viele Anregungen herangetragen worden. Darunter fällt auch ein Antrag der CDU/AL-Koalition, dass der Magistrat nach weiteren Einsparmöglichkeiten bei den Personalkosten Ausschau hält. Haushalt nochmals prüfen, Entscheidungen überdenken und dann eine neue Vorlage erarbeiten – nannte Rotter die Aufgaben der kommenden Wochen. Möglicherweise komme man in den Beratungen dann auch zu dem Schluss, freiwillige Leistungen und Angebote der Stadt reduzieren zu müssen. „Wir diskutieren dann, wollen wir uns einen Sozialen Dienst, den die Stadt hat, oder eine Bauberatung weiter leisten“, nannte Rotter Beispiele.

Klage gegen Bund und Land: „Müssen weg von der Bittstellerei“

Die Grundsteuerdebatte verlagerte sich teilweise auf die Diskussion zu einem SPD-Antrag zum Konnexitätsprinzip, das die Fraktionsvorsitzende Anke Rüger mit dem Satz „Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen“ zusammenfasste. Der Stadt würden immer wieder per Gesetz Aufgaben auferlegt, ohne dass die notwendigen finanziellen Mittel dafür bereitgestellt werden. Die SPD will prüfen lassen, bei welchen Pflichtaufgaben der Stadt das Konnexitätsprinzip durch das Land und den Bund verletzt wird und diese dann, möglichst gemeinsam mit anderen Kommunen, verklagen. „Wenn man etwas ändern will, muss man sich wehren“, begründete Anke Rüger den Antrag, der von allen anderen Fraktionen unterstützt wurde. Speziell im Personalhaushalt fehle der Stadt „ganz dramatisch“ das Geld.

Die Rücknahme der Vorlage zur Grundsteuererhebung sei richtig, sagte Reimund Butz (AL/Die Grünen). Schließlich würden die Diskussionen emotional geführt und eine Erhöhung auch erheblich in die materiellen Grundlagen der Familien eingreifen. „Daher ist es wichtig, zu sagen: Wir müssen nochmal in uns gehen und schauen, welche Möglichkeiten es insgesamt gibt“, meinte Butz. Man könne nicht versprechen, dass es nicht doch noch zu einer Grundsteuererhöhung kommt. Man werde sich aber noch einmal intensiv darum bemühen, die Belastungen so gering wie möglich zu halten. Der SPD-Antrag, Bund und Land zu verklagen, sei richtig. Gemeinsam mit anderen Kommunen müsse die Stadt erreichen, dass die Grundausstattung der Städte und Gemeinden verbessert wird.
Auch Björn Beicken, der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, bezeichnete den SPD-Antrag als notwendig. Die Klage solle möglichst gemeinsam mit anderen Kommunen erfolgen, notfalls aber auch alleine. Ein „Weiter so“ dürfe es nicht geben. Man dürfe das Konnexitätsprinzip aber auch nicht als alleinige Ausrede hernehmen, für einen guten Teil des Haushalts sei die Stadt Rödermark immer noch selbst verantwortlich.

Dr. Rüdiger Werner (FDP) war überrascht, dass der Tagesordnungspunkt zur Grundsteuererhöhung so kurzfristig von der Tagesordnung genommen wurde. Dennoch sei der Ansatz richtig, die Belastung der Bürger so gering wie möglich zu halten. Werner ärgerte sich aber über die Kurzfristigkeit. Im Vorfeld habe es genügend Zeit gegeben, es anders zu machen. Als Beispiel nannte Werner Dietzenbach. Dort hatte vor wenigen Tagen die Stadtverordnetenversammlung auf ursprünglich geplante Grund- und Gewerbesteuererhöhungen verzichtet und stattdessen ein 5,8 Millionen Euro umfassendes Sparpaket verabschiedet. In Rödermark sei ein Teil des Defizits hausgemacht, kritisierte Rüdiger Werner. „Wir müssen auch an die Ausgaben ran. Das bedeutet Einschnitte bei den Leistungen der Stadt.“ Den von der SPD vorgeschlagenen Klageweg unterstützt die FDP, auch wenn sich das frühestens 2030 positiv auf den städtischen Haushalt auswirken würde.

Bei einer möglichen Klage gegen Bund und Land müsse es nicht nur um die Finanzierung der Pflichtaufgaben der Kommunen gehen, sondern auch um die freiwilligen Ausgaben („Wir wollen ja auch gestalten“), sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Gensert. Die hessische Verfassung regele eindeutig, dass dafür den Kommunen auch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Gemeinden müssten zudem künftig auch an den „ergiebigsten Steuern“, sprich Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Lohnsteuer direkt beteiligt werden. „Wir müssen weg von der Bittstellerei“, forderte Gensert.

(Text: PS)