Stadt Offenbach steuert auf neues Allzeithoch bei Gewerbesteuer zu

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(Symbolbild: Ibrahim Boran auf Unsplash)

Stadtkämmerer Wilhelm: „Aufgrund steigender Kosten bleibt die Lage dennoch extrem angespannt“

Die Stadt Offenbach kann nach derzeitigem Zwischenstand in diesem Jahr ein Rekordergebnis bei der Gewerbesteuer erwarten. Wie Stadtkämmerer Martin Wilhelm mitteilt, konnte bis Ende Juli Gewerbesteuer in Höhe von rund 133 Millionen Euro festgesetzt werden – so viel wie nie zuvor in der Geschichte Offenbachs. Zugleich steigen aber auch die Ausgaben der Stadt immer weiter an, weshalb die finanzielle Situation, so Wilhelm, „extrem angespannt“ bleibt.


Da die Gewerbesteuer grundsätzlich sehr starken jährlichen Schwankungen unterliegt, ist eine Prognose stets mit großen Ungewissheiten verbunden. Zwar wurden für den laufenden Haushalt bereits höhere Summen als im Vorjahr erwartet. Aufgrund der insgesamt schlechten wirtschaftlichen Lage war die Kämmerei in ihrer Prognose für den Haushalt 2025 von 95 Millionen Euro ausgegangen. „Das aktuelle Allzeithoch bei der Gewerbesteuer ist eine erfreuliche Entwicklung für die Stadt, die auf der anderen Seite aber auch immer höhere Ausgaben stemmen muss. Dass in einer Phase der Rezession in Deutschland die Einnahmen bei uns steigen, unterstreicht die wirtschaftliche Dynamik vieler in Offenbach ansässiger Unternehmen. Sie ist aber auch ein Indiz dafür, dass der Wirtschaftsstandort Offenbach die Talsohle durchschritten hat“, erläutert Stadtkämmerer Martin Wilhelm und ergänzt: „Durch die jüngsten Erfolge unserer aktiven Ansiedlungs- und Standortpolitik können wir in den kommenden Jahren von einer weiteren Stärkung der Offenbacher Wirtschaft ausgehen. Natürlich gehen auch zukünftig die globalen Entwicklungen an Offenbach nicht völlig vorbei. Langfristig aber ergeben sich für den Standort Offenbach gute Perspektiven. Was wir brauchen, sind Unternehmen in zukunftsfesten Branchen, denn unser Ziel ist es, die Anzahl der Arbeitsplätze in Offenbach langfristig zu erhöhen. Das ist für die Finanzierung der Aufgaben der Stadt ungemein wichtig und hilft, die Abhängigkeit von anderen Einnahmequellen langfristig zu verringern.“

Starke Schwankungen

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie stark die Beträge aus der Gewerbesteuer insbesondere bei wirtschaftlichen Krisen schwanken. Zum Vergleich: Das bisherige Rekordjahr war 2023 mit 122,4 Millionen Euro. Ein Jahr vorher, 2022, waren es 75,6 Millionen Euro, 2021 85,2 Millionen Euro, 2020 dagegen nur 52,7 Millionen Euro. Auch 2019 war die Höhe mit 61,7 Millionen Euro vergleichsweise niedrig.

Ein Grund für die hohe Abweichung in diesem Jahr sind hohe Änderungen für Altjahre, die sich auf rund 42,7 Millionen Euro belaufen. Dabei ging es überwiegend um höhere Abrechnungen aus den Vorjahren.

Üblicherweise liegen die durchschnittlichen Änderungen aus den Altjahren bei etwa 10 Millionen Euro jährlich. Deswegen dürfte man aktuell von ca. 100 Millionen relativ stabiler Gewerbesteuer ausgehen. In diesem Jahr ist der Wert erfreulich hoch. Zusätzlich ist aktuell ein 10 Millionen Euro Einmaleffekt zu verzeichnen. Dies zeigt, wieso eine Gewerbesteuerprognose so schwierig ist.

Weiterhin maßgeblich auf die Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich angewiesen

Trotz höherer Gewerbesteuer ist die Stadt unverändert maßgeblich auf die Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich angewiesen – dieser soll wie beim Länderfinanzausgleich auf Ebene der Bundesländer finanzielle Ungleichheiten zwischen den Kommunen ausgleichen. Diese Mittel sind nach wie vor die größte Einnahmeposition für Offenbach – sie unterliegen aber ebenfalls jährlichen Schwankungen. Vereinfacht ausgedrückt: Je mehr Einnahmen die Stadt aus eigener Kraft im Vorjahr erzielten konnte, umso mehr sinken die Zuweisungen aus dem KFA im Folgejahr. „Als Beispiel: Wenn wir einen Euro Gewerbesteuer dazugewinnen, verlieren wir circa 70 Cent an KFA-Mitteln. Das heißt, der eine Euro aus der Gewerbesteuer kann nicht eins zu eins auf der Habenseite verbucht werden, sondern er schmälert gleichzeitig den Beitrag aus dem KFA. Dennoch lohnt sich natürlich der Fokus auf neue Ansiedlungen und höhere Gewerbesteuern, da diese auf lange Sicht die Stadt stärken“, so Wilhelm.

Trotz der aktuellen Rekordsumme und der positiven Entwicklung warnt Stadtkämmerer Wilhelm vor überzogenen Erwartungen: „Höhere Festsetzungen aus der Gewerbesteuer verringern im nächsten Jahr die Zuweisungen aus dem KFA. An der grundsätzlichen Abhängigkeit der Stadt von diesen, vielfach externen Faktoren unterliegenden Finanzierungsquellen ändert sich daher nichts. Allerdings können sie der Stadt etwas Luft verschaffen: Wenn sich der Rekord zum Jahresende tatsächlich einstellt, haben wir die Chance unsere Rücklagen wieder zu erhöhen. Denn die Rücklagen der Stadt haben sich 2024 bereits deutlich reduziert und werden – Stand heute – spätestens 2029 aufgebraucht sein. Wenn sich das Delta zwischen Einnahmen und Ausgaben nicht ins Positive dreht, ist langfristig die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt in Gefahr. Dann dürften wir nur noch unseren gesetzlichen Pflichtaufgaben nachkommen – für alles Weitere dürften wir kein Geld mehr ausgeben.“

Wilhelm hat hierbei insbesondere die steigenden Ausgaben im Blick. Gründe hierfür sind unter anderem inflationsbedingte Kostensteigerungen, höhere Zinsen und steigende Personalaufwendungen. Die Stadt muss neben dem Sanierungs- und Neubauprogramm für Schulen und Kitas weitere rund 100 Millionen Euro zusätzlich in die Ganztagsbetreuung an den Grundschulen investieren. Zudem bleiben die Herausforderungen im Sozialbereich immens. Sie zählen wie die Ganztagsbetreuung ebenfalls zu den Pflichtaufgaben der Stadt.

“Finanzielle Gesamtlage bleibt extrem angespannt”

„Trotz Rekordsummen bei der Gewerbesteuer bleibt die finanzielle Gesamtlage deshalb extrem angespannt“, betont Wilhelm und verweist dabei auch auf die Entwicklung in anderen Kommunen. So betitelt der kürzlich erschienene „Kommunale Finanzreport 2025“ der Bertelsmann-Stiftung die aktuelle Entwicklung in Hessen als „größtes Defizit in der Geschichte der Bundesrepublik“. Hessen habe das höchste Pro-Kopf-Defizit im bundesweiten Ländervergleich. Alleine 2024 sind die Ausgaben um zehn Prozent gestiegen. Die Sozialausgaben sind innerhalb von zwei Jahren sogar um 25 Prozent angestiegen, bleiben oft aber ohne entsprechende Gegenfinanzierung vom Bund. Das geplante Sondervermögen der Bundesregierung für Infrastruktur müsse daher zu großen Teilen den Kommunen zufließen, so Wilhelm weiter. Gleichwohl betont er auch: „Die strukturelle Unterfinanzierung, die steigenden Pflichtaufgaben sowie der massive Investitionsbedarf, zum Beispiel für Schulen, Kitas oder Infrastruktur, können durch einmalige Einnahmespitzen nicht dauerhaft kompensiert werden.“

Wilhelm appelliert daher erneut an die Politik in Bund und Land, die Finanzsituation besonders belasteter Kommunen stärker zu berücksichtigen. „Der Investitionsbooster ist ein gutes Signal an die Kommunen gewesen, weil die neue Bundesregierung vollständig die Kosten ihrer Gesetze übernommen hat. Das war in der Vergangenheit oft nicht der Fall und muss weiterhin kompensiert werden. Wir brauchen weiterhin dringend eine Änderung des Systems für eine nachhaltige Entlastung, etwa durch eine faire Altschuldenregelung und eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs.“

(Text: PM Stadt Offenbach)