Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg werden die geburtshilfliche Abteilung am Standort Groß-Umstadt zum 30. September schließen müssen. Diese Entscheidung ist eine Maßnahme im Rahmen der Veränderungen in der Geburtshilfe und der bundesweiten Krankenhausreform, die eine stärkere Zentralisierung und Bündelung von Leistungen vorsieht. Die Fachabteilung für Gynäkologie wird weitergeführt.
„Die Geburtshilfe in Groß-Umstadt war über Jahrzehnte ein wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung im östlichen Landkreis. Doch tiefgreifende strukturelle Veränderungen in der Geburtshilfe machen ein Festhalten an diesem Angebot vor Ort langfristig nicht verantwortbar. Das bedeutet, medizinische Angebote zu bündeln und dort zu konzentrieren, wo sie unter den gegebenen Rahmenbedingungen langfristig hohe Qualität bieten können“, sagt Landrat Klaus Peter Schellhaas. „Uns ist bewusst, dass dies für viele Menschen im Landkreis eine emotionale Nachricht ist – insbesondere für jene, die hier selbst geboren wurden oder eigene Kinder zur Welt gebracht haben. Für uns ist wichtig: Es wird keinen Personalabbau bei festangestellten Mitarbeitenden geben.“
Reine Geburtshilfe – was das bedeutet
Der Standort Groß-Umstadt bietet aktuell eine reine Geburtshilfe, also für komplikationsfreie Schwangerschaften ohne Kinderklinik oder Neonatologie. Kommt es bei einer Geburt zu unvorhersehbaren Komplikationen oder liegt bereits vorab eine Risikoschwangerschaft vor, ist eine Verlegung in eine andere Klinik erforderlich – ein zusätzlicher Zeitfaktor, der bei komplexen Fällen entscheidend sein kann. Kliniken mit angeschlossener Kinderklinik oder Neonatologie verfügen hingegen über spezialisierte Fachärzte vor Ort, was insbesondere für Risikoschwangerschaften von hoher Bedeutung ist.
Bundesweite Herausforderungen treffen auch die Region
Hintergrund der Entscheidung ist eine Vielzahl an Faktoren, die bundesweit zu Schließungen kleiner geburtshilflicher Abteilungen führen:
• Fehlende angeschlossene Kinderklinik: Am Standort Groß-Umstadt gibt es keine direkt angegliederte Kinderklinik. Dieser Aspekt wird für viele Familien zunehmend zu einem entscheidenden Kriterium bei der Wahl des Geburtsortes, da eine unmittelbare kinderärztliche Versorgung im Notfall als wichtiger Sicherheitsfaktor angesehen wird.
• Fachkräftemangel: Die Zahl der Hebammen, die in Kliniken tätig sind, sinkt stetig. Eine direkte Folge des neuen Hebammenhilfevertrags ist, dass in Groß-Umstadt in den vergangenen Wochen sieben von ursprünglich 14 freiberuflich tätigen Beleghebammen gekündigt haben. Um die Versorgung dennoch aufrechtzuerhalten, müssten die Kreisklinik künftig verstärkt auf teurere Leihhebammen zurückgreifen, was die ohnehin hohen Betriebskosten weiter in die Höhe treiben würde.
• Sinkende Geburtenzahlen: Im Einzugsgebiet der Klinik gehen die Geburtenzahlen seit Jahren zurück – eine Entwicklung, die nicht nur die Region, sondern ganz Deutschland betrifft. Der Standort Groß-Umstadt lag zuletzt bei 350 bis 400 Geburten jährlich – weit unter der von Fachgesellschaften empfohlenen Mindestgrenze von 500. Eine relevante Steigerung der Geburtszahlen ist nicht zu erwarten. Zuletzt wurde die Zulassung für reine Geburtskliniken wie Groß-Umstadt für Geburten ab der 36. Schwangerschaftswoche auf die 37. Schwangerschaftswoche angepasst. Auch neue Leitlinien der Fachgesellschaften stuften immer mehr Schwangerschaften als Risikoschwangerschaften ein – Frauen ab 35 Jahren gelten dabei schon seit langem als Risikoschwangere. Damit wurde die Zahl potenzieller Entbindungen zusätzlich zu den sinkenden Geburtszahlen immer geringer.
• Strukturelle Reformen: Die Krankenhausreform des Bundes sowie Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zielen auf eine Zentralisierung ab. Geburtskliniken sollen künftig in weniger, aber leistungsfähigeren Einheiten konzentriert werden.
• Wirtschaftliche Situation: Der Betrieb einer kleinen geburtshilflichen Abteilung verursacht hohe Fixkosten, die durch das aktuelle Vergütungssystem nicht gedeckt werden können. Der jährliche Fehlbetrag beläuft sich auf über eine Million Euro. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation ist nicht zu erwarten.
„Diese Entscheidung ist uns alles andere als leichtgefallen“, betonen Betriebsleiterin Pelin Meyer und Betriebsleiter Christoph Dahmen. „Mit den verantwortlichen Mitarbeitern und den Hebammen haben wir lange um einen gemeinsamen guten Weg für die Geburtshilfe gerungen. Wir haben alle Optionen geprüft – von Kooperationen über Personalgewinnung bis hin zur Finanzierung. Durch das dynamische Geschehen rund um die Geburtshilfe, aber auch im Klinikmarkt insgesamt blieb trotz des Engagements aller Mitarbeitenden nur die Schlussfolgerung: Der Standort ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht zukunftsfähig. Wir möchten allen Mitarbeitenden und insbesondere auch den Hebammen danken, die über Jahrzehnte die Geburtshilfe am Standort geprägt haben. Wir blicken mit Stolz und Dankbarkeit auf diese Zeit“, so Meyer und Dahmen weiter.
Die abschließende Entscheidung wird der Kreistag am 15. September 2025 treffen.
Versorgung weiterhin gesichert – individuelle Unterstützung für Schwangere
Für werdende Eltern im Landkreis bleibt die geburtshilfliche Versorgung auch künftig gesichert. Es besteht die Vorgabe, dass Gebärende in einer Fahrtzeit von 40 Minuten die nächstgelegene Geburtsklinik erreichen können. Dies ist gewährleistet. Große Geburtskliniken wie das Klinikum Darmstadt inklusive Neonatologie, das Alice-Hospital mit Perinatalem Schwerpunkt und angeschlossener Kinderklinik, das Klinikum Aschaffenburg, aber auch die reine Geburtsklinik im Gesundheitszentrum Odenwaldkreis in Erbach sind für die Frauen gut erreichbar.
„Es wird keine Versorgungslücke entstehen“, so Landrat Schellhaas. Christoph Dahmen ergänzt: „Wir haben mit den Kliniken im Umkreis im Vorfeld gesprochen. Sie haben uns versichert, dass ausreichend Kapazitäten bestehen, um alle werdenden Eltern aufzunehmen, die ansonsten in Groß-Umstadt entbunden hätten.“
Schwangere, die bereits in Betreuung der Kreisklinik Groß-Umstadt sind, erhalten ab sofort individuelle Beratung und Unterstützung bei der Wahl eines neuen Geburtsorts nach dem 30. September. Bis dahin steht die Geburtshilfe weiterhin wie bisher zur Verfügung. Gebärende, die bereits ihre Geburt geplant haben, können weiterhin in Groß-Umstadt entbinden.
Blick in die Zukunft
Die Betriebsleitung wird nun mit Blick auf die Reform prüfen, wie die freiwerdenden Räumlichkeiten genutzt werden können. Vorstellbar ist etwa die Erweiterung des geriatrischen Angebots – eine medizinische Spezialisierung, die mit Blick auf den demografischen Wandel zusätzlich an Bedeutung gewinnt. Weitere Nutzungsmöglichkeiten werden gemeinsam mit den politischen Gremien beraten.
(Text: PM Landkreis Darmstadt-Dieburg)