Jugendliche in Offenbach entdeckten die Kunst des Drag

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Einblicke in die bunte Welt von Performance und Make-Up. (Foto: Stadt Offenbach)

Glitzer, Kreativität und Selbstentfaltung

An zwei Wochenenden und zwei Ferienwochen stand das Queers&Friends Café des Kinder-, Jugend- und Kulturzentrums Sandgasse in Offenbach im Juni im Zeichen von Drag und queerer Kultur. Der Begriff „Drag“ stammt ursprünglich aus dem britischen Theater des 19. Jahrhunderts und ist heute eine Kunstform, die mit Geschlechterrollen, Kostümen und Ausdrucksweisen spielt – unabhängig von der eigenen Identität. Das taten die 12- bis 18-jährigen Jugendlichen und tauchten gemeinsam in die bunte Welt von Performance, Kostümen, Make-Up und Alter Egos ein. Begleitet wurden sie dabei von den Künstlerinnen Katharina Hantke, Nora Schön und Sozialarbeiter Daniel Müller. „Für Jugendliche ist das besonders wertvoll“, erklärt Katharina Hantke. „Das Erfinden von Alter Egos stärkt das Selbstvertrauen, regt die Kreativität an und hilft, neue Seiten an sich zu entdecken. So wird Identitätsentwicklung spielerisch gefördert und Vielfalt erlebbar gemacht.“


Von der Idee zum Alter Ego

Das erste Wochendende startete mit einem Blick in die Geschichte von Drag und Queer Culture. Dabei vermittelten Videos, Magazine, Comics und Bildmaterial einen Eindruck über die vielfältigen Ausdrucksformen dieser Kunstform. Im Anschluss probierten sich die Teilnehmenden selbst in ersten Performance-Übungen aus und entwickelten eigene Ideen für ihre Bühnenfiguren. Zum Abschluss des Wochenendes hieß es: Vorhang auf für Karaoke! Am zweiten Wochenende (21. und 22. Juni) vertieften die Jugendlichen ihre Performance-Fähigkeiten. Die dabei entstandenen Figuren wurden in selbst gestalteten Zines und Collagen festgehalten. Serien wie „Drag Race Germany“ und „King of Drags“ lieferten Inspiration und zeigten die unterschiedlichen Facetten von Drag – von glamourös, mystisch, einfach unterhaltsam bis politisch.

Vorbereitungen für den großen Auftritt

In der zweiten Sommerferienwoche (14.–19. Juli) lag der Fokus zunächst auf Make-Up und Styling. Dabei wurden Feminine Drag-Looks, wie sie Drag Queens nutzen und maskuline Styles, wie bei „Drag Kings“, erlernt und ausprobiert. Die Jugendlichen setzten ihre zuvor skizzierten Ideen praktisch mit professioneller Unterstützung einer Drag-Künstler*in um. Anschließend ging es an die Outfits: Die Nähmaschinen ratterten und es entstanden Kostüme aus verschiedensten Materialien, die Geschichten zu den Alter Egos wurden geschrieben und in Zines festgehalten. Alles diente der Vorbereitung für das große Fotoshooting. Das fand in der dritten Sommerferienwoche (21.–25. Juli) statt. Dabei wurden die Drag- und Cosplay-Looks der Jugendlichen beim professionellen Fotoshooting ins richtige Licht gesetzt. Nebenbei wurde eine kleine Ausstellung der entstandenen Bilder vorbereitet und an einer abschließenden Performance gefeilt.
Am 25. Juli war es dann so weit: Vor Familie und Freundinnen und Freunden präsentierten die jungen Künstlerinnen und Künstler ihre Alter Egos auf der Bühne. Das war ein fulminanter Abschluss, der mit viel Applaus belohnt wurde.

Gemeinschaft als Herzstück

Neben der kreativen Arbeit war der Workshop auch ein Raum für Begegnung, Austausch und gegenseitige Unterstützung. Viele der Jugendlichen machten in diesen drei Wochen zum ersten Mal die Erfahrung, so akzeptiert und sogar dafür gefeiert zu werden, wie sie sind: queer, kreativ, eben anders als die Norm. Sie stärkten sich gegenseitig, gaben einander Mut und erlebten, wie wertvoll es ist, in einem sicheren, wertschätzenden Umfeld Neues auszuprobieren. Besonders bereichernd war die Begegnung mit den verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern, die queer sind oder als Allies die Community unterstützen. „Das gab den Jugendlichen Rückhalt und ließ sie spüren, dass sie nicht allein sind“, ergänzt Daniel Müller und sei eine wichtige Erfahrung, da ihr Alltag oft von Diskriminierung in Schule oder im öffentlichen Raum geprägt ist. Vor allem konnten die Heranwachsenden durch das Spiel mit ihren Alter Egos ganz neue Seiten an sich entdecken: Sie wurden selbstbewusster in ihrem Auftreten und spielten mutig mit ihrer femininen und/oder maskulinen Seite. Diese Erfahrung eröffnete ihnen neue Perspektiven und zeigte, wie befreiend kreativer Selbstausdruck sein kann. Und wie wichtig gleichzeitig geschützte Räume, in denen sich vorurteilsfrei ausprobiert werden kann, sind. „Der Workshop hat gezeigt, wie empowernd Drag sein kann“, resümiert Müller: „Oberflächlich betrachtet ging es um Kostüme und Make-Up. Aber zentral ging es darum, andere Seiten an sich selbst zu entdecken, diese bei sich und anderen zu akzeptieren und in einem sicheren Umfeld gemeinsam Spaß zu haben.“

Das Projekt wurde durch „Meinland – Zeit für Zukunft“ bei KulturMachtStark gefördert. Förderpartner waren die „Türkische Gemeinde“ und „Mein Land“. Es fand im Rahmen queerer Jugendarbeit statt, begleitet durch Daniel Müller aus dem KJK Sandgasse und in Kooperation mit den Künstlerinnen Katharina Hantke und Nora Schön, die den Workshop konzipiert haben.

Ein besonderer Dank gilt Valeria Castano Moreno, die die Teilnehmenden täglich mit selbst gekochtem Essen versorgte, Jana Gebhardt, die den Prozess fotografisch begleitete und dokumentierte. Außerdem bereicherten Drag Artist Dominik Keggenhoff, Performancekünstler*in Marie Simons und Fotograf Nikolaus Kockel durch ihre künstlerischen Expertisen das Projekt und halfen den Jugendlichen ihre Ideen umzusetzen.

Mehr über das Angebot des Queers&Friends Cafés und weitere Bilder des Workshops findet sich auf dem Instagram-Kanal: queer_cafe_of.

(Text: PM Stadt Offenbach)