James Francis Gill präsentiert WOMEN IN WATER in der SIGHT Galerie Offenbach

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Die paradoxe Verbindung von Thema und Schicksal verleiht der Ausstellung fast symbolisch Kraft: Während das Wasser Zerstörung brachte, wird es in Gills Kunst zum Bild für Leben, Transformation und schöpferische Energie. (Foto: Künstler)

Eine Hommage an Weiblichkeit und Vergänglichkeit

Mit WOMEN IN WATER präsentiert Gill eine groß angelegte Werkgruppe, die sich mit der Darstellung der Frau im Spannungsfeld von Schönheit, Kraft und Vergänglichkeit auseinandersetzt. Fließende Kompositionen und intensive Farbwelten lassen Werke entstehen, die gleichermaßen sinnlich wie zeitlos wirken.


Die Ausstellung in der SIGHT Galerie in Offenbach erhält eine besondere Dimension durch ein tragisches Ereignis: Vor wenigen Wochen wurde Gills Atelier in Texas von einer verheerenden Flutkatastrophe heimgesucht, die als eine der schlimmsten Binnenland-Überschwemmungen in der Geschichte der USA gilt. Besonders betroffen war Texas, wo sich das Wohnhaus mit Atelier von James Francis Gill befindet. Der Künstler konnte sich gerade noch rechtzeitig in die obere Etage seines Hauses flüchten – für sein Atelier, in dem er trotz seines hohen Alters jeden Tag an der Staffelei stand, und für mehr als 150 Kunstwerke kam jede Rettung zu spät. Physisch und psychisch stark getroffen, war lange Zeit fraglich, ob die Ausstellung überhaupt stattfinden kann und ob Gill tatsächlich wie angekündigt, zur Eröffnung nach Deutschland kommen würde. Das Wasser hat ihm viel genommen und es ist beinahe schon eine Ironie, dass diese Katastrophe gerade zeitgleich mit der Entstehung seiner Werke kam, denen er den Titel WOMEN IN WATER gegeben hat. Die paradoxe Verbindung von Thema und Schicksal verleiht der Ausstellung fast symbolisch Kraft: Während das Wasser Zerstörung brachte, wird es in Gills Kunst zum Bild für Leben, Transformation und schöpferische Energie.

James Francis Gill gehört zweifellos zu den Künstlern, deren Werk sich wie ein seismographischer Abdruck gesellschaftlicher Veränderungen lesen lässt. Der mittlerweile 90-jährige Künstler, der in den 1960er-Jahren mit seiner Serie „Women in Cars“ und dem Triptychon der Marilyn Monroe weltweite Anerkennung erlangte und diese Werke seither im Museum of Modern Art (MoMa) in New York zu finden sind, hat mit „Women in Water“ eine neue Werkreihe vorgelegt, die sowohl Rückblick als auch Aufbruch markiert.

Die Werkgruppe WOMEN IN CARS galt in den 60 Jahren seinerzeit als radikaler Kommentar auf die Verflechtung von weiblicher Identität und dem aufstrebenden Mythos Automobil. Das Auto war Freiheitsversprechen, Machtobjekt, auch Symbol männlicher Projektionen – und Gill stellte dem die Figur der Frau entgegen: selbstbewusst, ambivalent, präsent.
Seine neue Serie *Women in Water* führt dieses Thema weiter, aber in einer transformierten Sprache. Das Wasser ersetzt das Auto als Symbolträger: nicht mehr Stahl und Geschwindigkeit, sondern Fluidität, Wandel und Verletzlichkeit. In einer Zeit, in der Debatten um Gender, Körper und Natur neu verhandelt werden, wirken die Arbeiten fast wie eine prophetische Antwort auf den gesellschaftlichen Umbruch. Die Frau erscheint hier nicht länger als Gegenüber zu einer technischen Apparatur, sondern als Teil eines fließenden Kontinuums – als Bild für Transformation, Selbstermächtigung und ökologische Verbundenheit.

Dass Gill im hohen Alter noch einmal eine solche Werkserie vorlegt, ist bemerkenswert. Es spricht von einer künstlerischen Vitalität, die weniger vom äußeren Betrieb, als vielmehr von innerer Notwendigkeit getragen ist. *Women in Water* ist keine nostalgische Wiederholung früherer Erfolge, sondern eine überzeugende Weiterentwicklung, die seine Themen in die Gegenwart übersetzt.

James Francis Gill: Ein Leben zwischen Sichtbarkeit und Rückzug

James Francis Gill, geboren 1934 in Texas, gehört zu den wichtigsten Repräsentanten der amerikanischen Pop-Art. Er erlangte in den 1960er Jahren Anerkennung für seine kühnen und ausdrucksstarken Gemälde, die Elemente der Popkultur mit Techniken der bildenden Kunst verbanden. Sein Durchbruch kam, als sein Marilyn-Triptychon 1962 vom Museum of Modern Art in New York erworben wurde und ihn neben Andy Warhol und Roy Lichtenstein zu den führenden Künstlern der Pop-Art-Ära machte. Anders als viele seiner Zeitgenossen integrierte Gill oft tiefere psychologische und soziale Kommentare in seine Werke und verwendete leuchtende Farben und vielschichtige Kompositionen, um gesellschaftliche und politische Themen zu behandeln und kritisch zu hinterfragen. Elf seiner frühen Werke wurden in diesem Jahr in die Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart aufgenommen und gezeigt.

Gill war nie ein Künstler, der sich dem Betrieb bedingungslos auslieferte. Nach dem fulminanten Erfolg seiner frühen Serien, die den Zeitgeist der aufkommenden Konsumgesellschaft und den Dialog zwischen Körper, Technik und Identität einfingen, zog er sich aus dem Rampenlicht zurück. Persönliche Gründe – vor allem der Wunsch nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung – führten dazu, dass er dem internationalen Kunstbetrieb für Jahrzehnte fernblieb. Stattdessen arbeitete er im Stillen, fern von großen Ausstellungen, aber nah an seinen inneren Themen.

Diese Distanz, die für viele das Ende einer Karriere bedeutet hätte, ist in Gills Fall zu einer produktiven Kraft geworden. Sie erlaubte ihm, sein Werk von den Mechanismen des Marktes abzukoppeln und über Jahrzehnte hinweg zu einer Klarheit zu führen, die in der neuen Serie eine geradezu zeitgenössische Relevanz entfaltet.

Die neuen Werke aus der Serie WOMEN IN WATER sind vom 25.September bis zum 11.November in der SIGHT Galerie, Schillstraße 2, Offenbach/Westend zu sehen. Feierliche Eröffnung am 25.September um 19 Uhr in Anwesenheit des Künstlers (mit Anmeldung). Öffnungszeiten der Galerie: Mittwoch bis Freitag von 16 bis19 Uhr. Info www.sight-art.de.

(Text: PM