Kampagne „Alle brauchen Platz!“ in Viernheim

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(Grafik: Stadt Viernheim)

Stadtverwaltung zieht erstes Zwischenfazit zur Aktion gegen Gehwegparken

Mit der im März gestarteten Aktion „Alle brauchen Platz!“ verfolgt die Stadt Viernheim das Ziel, die Bürgerschaft für die Problematik des Gehwegparkens zu sensibilisieren und den Straßenraum gerechter und sicherer zu gestalten.


Nach Durchlauf von vier Quartieren zeigt sich: das Bewusstsein für die Belange von Fußgängerinnen und Fußgängern steigt und die Gehwege stehen mehr als zuvor tatsächlich den per Straßenverkehrsordnung (StVO) zugewiesenen Nutzern zur Verfügung. „Die Zahl der Fahrzeuge, an denen Hinweiszettel angebracht werden mussten, ist deutlich zurückgegangen“, erklärt Bürgermeister Matthias Baaß.

Außerdem habe man im aktuell überprüften Quartier 4, das sich zwischen Lorscher Straße und L3111 erstreckt, den Zeitraum, in dem Hinweiszettel statt Verwarnungen Verwendung finden, auf einen ganzen Monat ausgedehnt, damit die Phase der Umstellung und Eingewöhnung auf eine neue Situation länger ist.

Trotz spürbarer Verbesserungen gab es neue Herausforderungen: Zwar wurden die Gehwege besser freigehalten, jedoch geriet dadurch stellenweise die Durchfahrt auf der Fahrbahn ins Stocken. Mitte Juni wurde daher in zwei Dritteln der Waldstraße ein einseitiges Parkverbot eingerichtet – notwendig unter anderem für die Durchfahrt von Müllfahrzeugen des ZAKB und für Rettungseinsätze. „An weiteren Stellen wird im Moment noch die zur Verfügung stehende Fahrbahnbreite überprüft, als Grundlage für weitere Entscheidungen“, so Baaß weiter.

Kurzfristig getroffene Maßnahmen werden geprüft und gegebenenfalls angepasst. So wurden im Quartier 1 Ende März aufgrund von akuten Meldungen des Stadtbusses in der Kirschenstraße zunächst mobile Haltverbote an der östlichen Fahrbahnseite aufgestellt. Diese Haltverbote werden stattdessen demnächst dauerhaft auf der westlichen Fahrbahnseite eingerichtet, sodass in der Kirschenstraße wieder mehr Parkplätze zur Verfügung stehen und trotzdem die Vorgaben der Kampagne erfüllt werden können.

Lösungsorientiertes Vorgehen auf Basis von Rückmeldungen

In Reaktion auf Rückmeldungen aus Gewerbebetrieben werden in mehreren Gewerbegebieten bereits neue Markierungen zur Parkraumgestaltung vorbereitet. Ziel: Klare Abgrenzung zwischen Fahr- und Gehweg sowie sichere Wege für alle.

„Nicht wenige Bürgerinnen und Bürger haben sich Gedanken gemacht, wie sie ihr Auto anders unterbringen können – und so dazu beigetragen, dass Kinder, Senioren und mobilitätseingeschränkte Menschen wieder sicherer unterwegs sein können“, so Erster Stadtrat Jörg Scheidel. Er betont: „Wir setzen auf Eigenverantwortung und Einsicht – das funktioniert erfreulich oft, auch wenn es mit Aufwand verbunden ist.“

Private Garagen und Stellplätze: Zuständigkeit und Grenzen

Aus der Bürgerschaft kam auch der Vorschlag, Privatgaragen stärker zu kontrollieren, da diese oft zweckentfremdet genutzt würden. Doch Bürgermeister Baaß stellt klar: „Das dürfen und wollen wir nicht. Wir möchten nicht in den privaten Lebensraum eingreifen, sondern setzen auf die eigene Einsicht, deswegen auch die Kampagne mit Videos zur Bewusstmachung der Thematik.“ Problematisch sei jedoch, wenn bauplanrechtlich vorgesehene Stellplätze auf privaten Grundstücken nie gebaut wurden – dann sei das Ergebnis automatisch, dass diese Fahrzeuge auf der Straße stehen.

Auch der Vorwurf, die Stadt selbst habe im Zuge von Neubauten in der Innenstadt zu wenige Stellplätze vorgesehen, wird zurückgewiesen: „Unsere von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Stellplatzsatzung ist streng“, betont Scheidel. „Und wir setzen sie konsequent um – oft zum Leid der Bauherren.“

Im Juli kein neues Quartier im Fokus

Auf Empfehlung aus der Bürgerschaft hin will die Stadt künftig frühzeitig vor Beginn eines neuen Quartiers prüfen, ob bauliche Maßnahmen wie Parkverbote erforderlich sind, damit die Zufahrt für die Müll- und andere breite Fahrzeuge noch ausreichend gegeben ist und der Streit, wer wann wo zuerst geparkt hat, vermieden wird. Um diese neue Strategie sauber umzusetzen, wird im Juli kein neues Quartier in den Fokus genommen. Mit Ablauf des Juni endet im aktuellen Quartier 4 die Phase der Hinweiszettel, im Juli folgen dann bei Bedarf Verwarnungen.

Bürgermeister Baaß: „Mir fallen jetzt im Zuge der Aktion in Viernheim noch mehr die Straßen auf, in denen das Parken bereits seit langem per Markierung oder Beschilderung geregelt ist oder auch Umbauten vorgenommen wurden. In diesen Straßen ist die Anzahl der Fahrzeuge auf der Straße dementsprechend schon immer deutlich geringer, obwohl oftmals nicht weniger Menschen in der Straße leben, als in anderen Straßen.“ Weitere Umbauten dieser Art, wie aus der Bevölkerung angeregt, seien perspektivisch sinnvoll. „Das aber im ganzen Stadtgebiet hinzubekommen, wird viele Jahre dauern und auch nicht wenig Geld kosten. Zusätzlich würde dies aber gleichzeitig auch für eine noch geringere Anzahl von Stellplätzen sorgen, da diese dann völlig ordnungsgemäß beschildert und markiert werden müssten.“

Warum diese Kampagne notwendig ist – Hintergründe und gesetzliche Grundlage

Gehwege sind laut § 25 StVO ausschließlich Fußgängerinnen und Fußgängern vorbehalten – ebenso Kindern auf Fahrrädern im Alter zwischen acht und zehn Jahre und deren Begleitpersonen. Parken ist dort grundsätzlich verboten, außer es ist ausdrücklich erlaubt und es bleibt ausreichend Raum für Begegnungsverkehr, auch mit Kinderwagen oder Rollstuhl.

Mit der Aktion „Alle brauchen Platz!“ reagiert die Stadt auf ein wegweisendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni 2024 in Sachen unerlaubtes Gehwegparken. Hintergrund war eine Klage von Anwohnern in Bremen, die die Stadt zum Einschreiten gegen das Parken auf Gehwegen vor ihren Wohnungen bewegen wollten. Das Gericht entschied, dass es nicht ausreicht, wenn die Behörden lediglich auf das generelle Verbot verweisen. Sie sind verpflichtet, in angemessener Weise einzuschreiten. Das Gericht stellte klar: Gehwege sind gemäß StVO für Fußgänger vorgesehen. Das Interesse von Verkehrsteilnehmenden am ungehinderten Fortsetzen eines rechtswidrigen Verhaltens sei nicht schutzwürdig, auch wenn das Gehwegparken bislang geduldet wurde. Maßnahmen zur Beendigung dieser Praxis müssen jedoch angekündigt werden.

Daher gilt seit dem Start der Kampagne für die Bürgerinnen und Bürger Viernheims: Gehwegparken ist nur erlaubt, wenn dies entsprechend markiert oder beschildert ist. Außerdem gilt ein Mindestmaß von 1,30 Meter freie Gehwegbreite (gemessen an der engsten Stelle, zum Beispiel zwischen Außenspiegel und Hauswand oder Stromkasten) sowie 3,50 Meter Fahrbahnbreite für Rettungs- und Müllfahrzeuge. Die gewählten Maße stellen einen praktikablen Kompromiss dar, um Engstellen flexibel zu regeln.

Das Stadtgebiet wurde in 11 Quartiere eingeteilt. Das Ordnungsamt nimmt jeden Monat ein neues Quartier in den Fokus. Zunächst werden Hinweiszettel an falsch geparkten Fahrzeugen angebracht, um die Bürgerinnen und Bürger zu informieren, im Anschluss werden Verwarnungsgelder ausgesprochen.

Die Stadt verweist darauf, dass es keinen Anspruch auf einen öffentlichen Parkplatz gibt. Es sei daher notwendig, dass private Stellplätze und Garagen genutzt werden. In manchen Bereichen hat die Stadt bereits zusätzliche Flächen ausgewiesen, etwa im Bereich der Friedrich-Ebert-Straße/Industriestraße. Auch Angebote wie Carsharing gewinnen an Bedeutung.

Ziel ist es, ein sicheres Miteinander im Straßenverkehr zu gewährleisten und auf die Bedürfnisse von Fußgängern, insbesondere Familien mit Kinderwagen, älteren Menschen mit Rollatoren, mobilitätseingeschränkten Personen sowie Kindern unter acht Jahren und ihren begleitenden Eltern mit Fahrrädern, Rücksicht zu nehmen. Begleitet wird die Kampagne mit von Plakaten in den jeweilig betroffenen Quartieren sowie Videos zu unterschiedlichen Themen auf den städtischen Kanälen.

Alle Informationen (FAQ) online auf einen Blick online

Ab sofort sind auf der Homepage der Stadt Viernheim eine Sammlung mit Antworten zu den am häufigsten gestellten Fragen zur Kampagne abrufbar. Sie beantwortet unter anderem:

Was ist die Kampagne „Alle brauchen Platz!“?
Wofür ist der Gehweg da?
Was steht dazu im Gesetz?
Warum geht die Stadt das Thema jetzt verstärkt an?
Wo soll ich mein Auto in Zukunft parken?
Wie wird kontrolliert?
Wie hoch sind die Bußgelder?
Was ist mit Straßen, welche nicht über die Maße 1,30 m freier Gehweg und 3,50 m freie Straßenbreite verfügen?
Was passiert, wenn ich korrekt parke und ein Auto später gegenüber parkt, sodass die 3,50 m freie Straßenbreite nicht mehr gegeben ist?
Was passiert als Nächstes?

Weitere Informationen zur Kampagne finden sich hier.

(Text: PM Stadt Viernheim)