Mit völligem Unverständnis nimmt das Bündnis der fluglärmbetroffenen Kommunen im Rhein-Main-Gebiet – die Kommunale Arbeitsgemeinschaft Zukunft Rhein-Main (KAGZRM) – die aktuell von der Luftverkehrsindustrie hervorgebrachten Klagen über eine angebliche Krise aufgrund zu geringen Wachstums im Flugverkehr zur Kenntnis. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) sieht in den in Deutschland geltenden Steuern und Gebühren die Gründe für das zu geringe Wachstum und eine fehlende Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Vergleich.
Die Anwohnerinnen und Anwohner der Kommunen im Flughafenumfeld merken von dieser angeblichen Krise allerdings nichts. Die Flugbewegungszahlen lagen laut Fraport im Juli mit 42.657 nur noch 9,5 Prozent unter dem Niveau von 2019, dem Jahr mit dem bisherigen Höchststand an Flugbewegungen. Entsprechend spürbar ist der Fluglärm, besonders in den Nachtstunden. Allein von Juni bis Mitte August wurde 420 Mal gegen das Nachtflugverbot verstoßen. Angesichts anhaltend hoher Belastungen durch Fluglärm in zahlreichen Regionen Deutschlands fordert die Kommunale Arbeitsgemeinschaft Zukunft Rhein-Main (KAGZRM) eine deutlich konsequentere Luftverkehrspolitik auf Bundesebene. Während die Bundesregierung den Luftverkehrsstandort stärken will, geraten zentrale Schutzinteressen von Anwohnerinnen und Anwohnern zunehmend ins Hintertreffen.
„Fluglärmschutz darf kein Nebenschauplatz sein“
„Fluglärmschutz darf kein Nebenschauplatz sein“, bekräftigen die Sprecherin und die Sprecher der KAGZRM in ihrem Statement. „Der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsschädlichem Fluglärm ist keine regionale Frage, sondern ein bundespolitisches Anliegen ersten Ranges. Studien belegen die massiven Gesundheitsrisiken vor allem durch nächtlichen Fluglärm – von Schlafstörungen über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu langfristigen Belastungen für die Lebensqualität ganzer Ballungsräume.“
Trotz dieser Erkenntnisse enthält der Koalitionsvertrag der Bundesregierung keine konkreten Maßnahmen zur Verschärfung bestehender Lärmgrenzwerte oder zur Überarbeitung des veralteten Fluglärmschutzgesetzes. Auch die von Lärm betroffenen Kommunen werden in ihren Schutzforderungen oft allein gelassen.
„Die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden und den Fluglärmschutz endlich zu einer echten Priorität machen“, fordert Thomas Will, Vorsitzender der KAGZRM. „Gesundheitsschutz darf nicht länger nachrangig gegenüber Standortinteressen behandelt werden.“
Neue Studien, wie etwa die Untersuchung von Guski, Schreckenberg und Seidler (2023), fordern deutlich niedrigere Lärmgrenzwerte für den Erhalt der Gesundheit und eine umfassende Anpassung der gesetzlichen Schutzmechanismen. Auch die Regelungen für baulichen Schallschutz und Nachtflugregelungen müssten überarbeitet werden – doch vonseiten der Bundespolitik fehlt bislang der politische Wille.
Das Ziel der Bundesregierung, den Luftverkehrssektor wirtschaftlich zu stärken, etwa durch die Rücknahme der Luftverkehrssteuererhöhung oder die Abschaffung nationaler Umweltstandards, wäre ein Schlag ins Gesicht für die fluglärmgeplagte Bevölkerung auf der einen und das Klima auf der anderen Seite.
Anschein das wirtschaftliche Entlastung wichtiger als Umwelt- und Gesundheitsschutz
„Die aktuellen Entscheidungen suggerieren, dass wirtschaftliche Entlastung wichtiger sei als Umwelt- und Gesundheitsschutz“, kritisiert die KAGZRM. „Doch ein zukunftsfähiger Luftverkehr muss ökologisch, sozial und gesundheitlich verträglich sein – und dafür braucht es klare gesetzliche Vorgaben, nicht nur Appelle.“ Die Reduzierung von Flugemissionen ist zweifellos eine zentrale Herausforderung. Nachhaltige Kraftstoffe, neue Triebwerke, optimierte Flugrouten und grüne Infrastruktur sind wichtige Bausteine. Doch technologische Lösungen allein reichen nicht aus. Lärmschutz muss gleichwertig behandelt werden – etwa durch echte Nachtflugverbote, modernisierte Lärmgrenzen und klare Anreize für leisere Flugzeugtypen. Zudem braucht es eine konsequente CO₂-Bepreisung, ein reformiertes Emissionshandelssystem und die Verlagerung des innerdeutschen Flugverkehrs auf die Schiene. Eine einseitige Entlastung der Luftverkehrsbranche durch Steuersenkungen, wie sie derzeit angestrebt wird, untergräbt dagegen sowohl den Umwelt- als auch den Lärmschutz.
Die KAGZRM fordert eine Luftverkehrspolitik, die Lärm- und Klimaschutz als gleichrangige Ziele anerkennt – und entsprechend gesetzlich absichert.
„Fluglärmschutz darf kein freiwilliges Engagement einzelner Länder oder Flughäfen bleiben. Er muss als integraler Bestandteil einer nachhaltigen Mobilitätsstrategie gesetzlich verankert werden – auf Bundesebene. Nur durch klare Rahmenbedingungen, verbindliche Standards und die konsequente Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse lässt sich ein fairer Ausgleich zwischen Mobilität, wirtschaftlicher Entwicklung, Gesundheit und Lebensqualität erreichen“, fordert die KAGZRM abschließend.
(Text: PM Kommunale Arbeitsgemeinschaft Zukunft Rhein-Main (KAGZRM))