Nächste Phase des Researchprojekts zur Aufenthaltsqualität im Frankfurter ÖPNV beginnt

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Immersity Lab: Immersity Lab bietet mit der entwickelten Software ISA (Immersive Spatial Analysis) ein neues Werkzeug, um das Nutzungspotential von Räumen besser ausschöpfen zu können. (Foto: Immersity Lab)

Virtual-Reality Rundgang zu Sicherheit und Sauberkeit in Stationen

Anfang Oktober startete das Mobilitätsdezernat gemeinsam mit der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) und der städtischen Nahverkehrsgesellschaft traffiQ ein Researchprojekt zur Aufenthaltsqualität im Frankfurter ÖPNV. Mit verschiedenen, teils unkonventionellen Methoden werden Menschen zu Sicherheit und Sauberkeit in den Stationen und Haltestellen befragt. Den Anfang machten Fahrgastbefragungen in den Stationen und begleitete Alltagsfahrten mit der U-Bahn, das sogenannte „Shadowing“. Eine Online-Befragung Mitte November der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger schließt sich an.


Die innovativste Methode innerhalb des Projekts ist der Einsatz von Virtual-Reality. Hierzu kooperiert das Projekt mit dem Immersity Lab des Offenbach Institut für Mobilitätsdesign (OIMD).

Die Probandinnen und Probanden haben die Möglichkeit, mithilfe einer VR-Brille die Station Parlamentsplatz, versehen mit einer fiktiven Ausstattung wie neuer Beleuchtung, Sicherheitszonen, Hilfestationen und anderen Elementen, zu durchlaufen. Währenddessen und anschließend werden sie zu ihren Erfahrungen und Empfindungen befragt.

„Um die Aufenthaltsqualität im ÖPNV zu verbessern, nutzen wir unterschiedliche Maßnahmen und Methoden – von der Grundreinigung bis zum Research, der den Blick gezielt auf die Bedürfnisse der Menschen richtet“, sagt Mobilitätsdezernent Wolfgang Siefert. „Die Simulationen der VR-Brille machen zukünftige Mobilitätsräume erlebbar. Die Analyse der Blickbewegungen gibt Aufschluss darüber, inwieweit diese noch nicht existierenden Raumerfahrungen positiv oder negativ wahrgenommen werden. Von den Ergebnissen des VR-Projekts erhoffe ich mir Erkenntnisse jenseits gängiger Annahmen – darüber, was Menschen wirklich wichtig ist, damit sie sich im Frankfurter ÖPNV auch künftig gut aufgehoben fühlen.“

„Mit Virtual Reality schaffen wir die Möglichkeit, typische Situationen im ÖPNV realitätsnah zu simulieren und die Aufenthaltsqualität aus Sicht der Fahrgäste zu bewerten. Diese immersive Methode ergänzt unsere bestehenden Maßnahmen wie regelmäßige Kontrollen, Reinigungen und die Kooperation mit Polizei und Deutscher Bahn zur Erhöhung der Sicherheit. So verbinden wir innovative Forschung mit konkreten Verbesserungen für die Menschen in Frankfurt“, sind sich VGF-Geschäftsführer Steffen Geers und Geschäftsführerin Kerstin Jerchel einig.

Wie läuft die Befragung ab?

Die Probandinnen und Probanden werden durch ein virtuelles Modell der Station Parlamentsplatz geführt und können die Simulation selbstständig erkunden und erleben. Der Parlamentsplatz dient hierbei als Prototyp einer unterirdischen U-Bahnstation.

Das Modell ist mit unterschiedlichen Gestaltungsmaßnahmen ausgestattet, die aus Vorstudien und nach Vorgaben der VGF zusammengestellt wurden. Dazu gehören beispielsweise bessere Beleuchtung, Sicherheitseinrichtungen wie „Hilfeinseln“, bestehend aus Defibrillatoren, einem Nothalt und einer Notruf- und Sicherheitssäule sowie Sicherheitspersonal. Die Testpersonen durchlaufen die Station sowohl in einer Tag- als auch einer Nachtsimulation. Dabei handelt sich um realitätsnahe Darstellungen, die alle Fahrgäste kennen. In der Nachtsimulation werden die Probandinnen und Probanden beispielsweise einen leeren Bahnsteig erleben. Ebenso gehören verschmutzte Ecken zum Fahrgastalltag. Das Modell ermöglicht eine breite Palette möglicher Gefühlsreaktionen – so wie es auch an einem realen Bahnsteig der Fall sein kann. Die Zusammenarbeit mit dem Immersity Lab am OIMD ermöglicht wissenschaftlich fundierte und nutzerorientierte Ergebnisse, welche die Bedürfnisse der Menschen widerspiegeln sollen.

Mithilfe von Eye-Tracking werden Daten zu Verhaltens- und Bewegungsmustern erfasst. Während sich die Probandinnen und Probanden am virtuellen Bahnsteig befinden, werden sie interviewt, was intuitive Aussagen zum Erleben ermöglicht. Zusammen mit einem kurzen Post-Interview zur Einordnung des üblichen Mobilitätsverhaltens dienen alle erhobenen Daten als Grundlage für die Analyse.

„Uns als Designer bietet Virtual Reality die Möglichkeit, Räume nicht nur zu entwerfen, sondern auch noch nicht gebaute Zukünfte erlebbar zu machen. Durch die immersive Simulation können wir so frühzeitig testen, wie sich unterschiedliche Gestaltungsentscheidungen – etwa Sitzgelegenheiten, Beleuchtung oder Wegeleitung – auf die Aufenthaltsqualität auswirken, bevor sie in die Realität umgesetzt werden. Der interdisziplinäre Ansatz aus Design, Sozialwissenschaften und Data Science ermöglicht es uns, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über die Gestaltung von Räumen zu gewinnen und so Sicherheit für zukünftige Investitionen zu geben. Dabei ist unser Ziel, Räume so zu gestalten, dass sie den Menschen, die sie nutzen, tatsächlich zugutekommen“, betonen Julian Schwarze, Diplom-Designer, und Hanna Bader, Soziologin von Immersity Lab am OIMD.

Vorteile der Methode

Der Mehrwert von VR-Anwendungen besteht darin, dass zukünftig denkbare Räume und Situationen realitätsnah dargestellt werden können. Die immersive Methode eignet sich dazu, einen umfassenden Eindruck zu vermitteln, wie Menschen Räume erleben, also zum Beispiel Atmosphäre, Nutzbarkeit, Orientierung, Materialien oder Lichtstimmung.

Während die Befragten bei klassischer Marktforschung zu einem beliebigen Zeitpunkt Aussagen aus der Erinnerung treffen, ermöglicht die VR-Brille ein unmittelbares, immersives Erleben. So lassen sich Handlungen und Störfaktoren beobachten, kombiniert mit Interviews können so komplexe emotionale Reaktionen und Motivationen erfasst werden. Aus den Beobachtungen, die auch auf den Simulationen visualisiert werden, können neue Ansätze für Lösungen entstehen, die sich eng an den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzern orientieren.

Überblick der einzelnen Methoden

• 13. bis 19. Oktober: Stationsumfragen Konstablerwache, Hauptwache, Bornheim Mitte und Willy-Brandt-Platz
• 13. bis 15. Oktober: begleitete Alltagsfahrten, sogenanntes Shadowing
• Freitag, 14., bis Montag, 17. November: Virtual-Reality-Rundgänge
• Ab Montag, 17. November: Online-Befragung der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger
Wie geht es weiter?

Die Erkenntnisse aus dem mehrstufigen Researchprojekt werden voraussichtlich im ersten Quartal 2026 vorliegen und sollen dann schrittweise in konkrete Verbesserungsmaßnahmen überführt und umgesetzt werden.

Weitere Informationen zum Projekt finden sich unter vgf-ffm.de/mafo-aufenthalt.

Über das Immersity Lab

Immersity Lab ist ein an der HfG angesiedeltes, vom Land Hessen gefördertes Gründungsvorhaben. Das interdisziplinäre Team hat eine Softwarelösung entwickelt, die den Impact potenzieller Umgestaltungsmaßnahmen in Räumen antizipiert, indem sie die Nutzendenerfahrung in VR-Simulationen anhand von VR-gestützten Interviews und Tracking-Daten misst.

(Text: PM Stadt Frankfurt)