Gebrochenes Herz: Takotsubo-Syndrom kann zu schwerer Herzschwäche führen

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(Symbolgrafik: geralt auf Pixabay)

Symptome wie beim Herzinfarkt: 80 bis 90 Prozent der Betroffenen eines Takotsubo-Syndroms sind Frauen und meistens zwischen 65 bis 75 Jahre alt

Auch Stress-Kardiomyopathie genannt, ist das Broken-Heart-Syndrom eine plötzlich auftretende Herzmuskelschwäche, die vor allem durch emotionalen Stress – auch in Kombination mit physischem Stress wie extremer körperlicher Anstrengung – ausgelöst wird. „Beim Broken-Heart-Syndrom lässt die Pumpleistung des Herzens akut nach, es kommt zu einer lebensbedrohlichen Situation. Die Symptome ähneln denen eines Herzinfarkts, es liegt allerdings kein Verschluss eines Herzkranzgefäßes vor“, erklärt die Kardiologin Prof. Dr. Christiane Tiefenbacher, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung, anlässlich der bundesweiten Herzwochen der Herzstiftung unter dem Motto: „Gesunde Gefäße – gesundes Herz: Den Herzinfarkt vermeiden“ mit Infos unter https://herzstiftung.de/herzwochen


Die in die Notfallambulanz eingelieferten Patientinnen mit einem Broken-Heart-Syndrom sind häufig über 65 Jahre alt. Häufig erleben sie unmittelbar vor Symptombeginn mit brennenden Schmerzen in der Brust und zunehmender Luftnot, ein einschneidendes emotionales, meistens tragisches Ereignis. Das kann beispielsweise der Tod eines Angehörigen oder die Trennung vom langjährigen (Ehe-)Partner oder der Partnerin sein.

Die Herzspitze ist wie ein Ballon aufgetrieben

Eine Herzkatheteruntersuchung macht die Herzkranzgefäße und die linke Herzkammer auf einem Monitor sichtbar, es zeigt sich: Die Herzkranzgefäße sind weder verengt noch wie bei einem Herzinfarkt durch ein Blutgerinnsel verschlossen. Stattdessen sehen die Ärzte eine Auffälligkeit im Bereich der linken Herzkammer. „Die Herzbasis bewegt sich kräftig, während die Herzspitze wie ein Ballon aufgetrieben ist und stillsteht“, erklärt Dr. Birke Schneider, ehemalige Chefärztin der Abteilung Kardiologie und Angiologie an den Sana Kliniken Lübeck. Das ist typisch für ein sogenanntes Takotsubo-Syndrom (TTS), erstmals 1990 in Japan beschrieben und wegen der Silhouette der linken Herzkammer nach der japanischen Tintenfischfalle benannt (Japan. „tako“: Oktopus, „tsubo“: Pott). Das TTS ist auch bekannt als Broken-Heart-Syndrom: Von 100 Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf einen Herzinfarkt haben ein bis drei ein „gebrochenes Herz“, wie man im Volksmund zu der Erkrankung sagt. Infos unter https://herzstiftung.de/frauenherzen-takotsubo

Auslöser sind emotionaler und körperlicher Stress

„Was so harmlos klingt, ist eine ernstzunehmende akute Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Die Betroffenen sind zu 80 bis 90 Prozent Frauen im Alter von 65 bis 75 Jahren“, erklärt die Herz- und Gefäßspezialistin Prof. Tiefenbacher, Chefärztin der Klinik für Kardiologie und Gefäßmedizin am Marien-Hospital in Wesel. Prinzipiell können auch Männer betroffen sein, selten Kinder und Jugendliche. Auslöser bei Frauen sind häufig emotionaler Stress wie etwa der Tod eines nahestehenden Menschen, heftiger Streit in der Familie, die Diagnose einer Tumorerkrankung, Panik und große Angst. Bei Männern überwiegen körperliche Trigger, vor allem ungewohnte Anstrengungen, Lungenerkrankungen mit Anfällen von Luftnot, Unfälle oder Operationen. Bei bis zu einem Drittel der Betroffenen allerdings gibt es kein auslösendes Ereignis. In acht bis neun Prozent der Fälle findet sich eine Kombination von emotionalem und physischem Stress (siehe dazu das Fallbeispiel von Martina B. siehe Zusatz-Info*). Dr. Schneider hat 2005 ein erstes zentrales Takotsubo-Register der Arbeitsgemeinschaft Leitende Kardiologische Krankenhausärzte (ALKK) initiiert, um hierzulande das ungewöhnliche Krankheitsbild und seinen Verlauf anhand einer größeren Anzahl von Patienten genauer zu charakterisieren.

Die Herzmuskelzellen werden geschädigt – Frühwarnzeichen bleiben aus

Was genau im Herzen passiert, ist noch unzureichend geklärt. Tatsache ist, dass die Blutspiegel der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin beim TTS bis zu 30-mal über dem oberen Normalwert liegen und zwei- bis dreifach höher ansteigen als beim akuten Herzinfarkt. Darauf reagieren Herz und Blutgefäße verstärkt bei Frauen nach den Wechseljahren. Die Folgen: Die Herzmuskelzellen werden geschädigt. Des Weiteren verkrampfen die kleinen Herzkranzgefäße, wodurch die Durchblutung des Herzmuskels gestört ist. Es kommt zu Entzündungen am Herzen und Wassereinlagerungen im Herzmuskelgewebe (Myokardödem). Typische Beschwerden beim TTS sind plötzlich auftretende Brustschmerzen oder Luftnot, andere leiden an Übelkeit, Schweißausbruch, Schwindel, manche werden bewusstlos. „Das Tückische ist: Frühwarnzeichen gibt es keine“, betont die Herzspezialistin Dr. Schneider. Bei Patienten mit einem Herzinfarkt dagegen treten bedingt durch Engstellen in den Herzkranzgefäßen häufig schon im Vorfeld Brustschmerzen oder Luftnot unter Belastung auf.

Bei bis zu 50 Prozent sind lebensbedrohliche Komplikationen möglich

Das Elektrokardiogramm (EKG) zeigt im Unterschied zur Herzkatheteruntersuchung im Akutstadium ähnliche Veränderungen wie bei einem Herzinfarkt. Erst nach zwei bis fünf Tagen sind im EKG-Verlauf Unterschiede zum Infarkt zu sehen. Bei bis zu 50 Prozent der Patienten können akute lebensbedrohliche Komplikationen auftreten wie unter anderem eine schwere Herzschwäche, ein Kreislaufschock, Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern mit schnellem Puls oder Rhythmusstörungen aus der Herzkammer, die unbehandelt zum plötzlichen Herztod führen können. Bei manchen Patienten bilden sich Blutgerinnsel in der linken Herzkammer. „Wegen der häufig auftretenden Komplikationen ist es wichtig, die Betroffenen auf einer Intensivstation über 48 bis 72 Stunden an einem Monitor zu überwachen und eine Herzultraschalluntersuchung durchzuführen“, erklärt die Lübecker Kardiologin. Ein entscheidender Marker für die Diagnose eines TTS sind die Blutwerte. Im Vergleich zum akuten Herzinfarkt sind die Herzenzyme Troponin und Creatinkinase (CK) beim TTS nur gering erhöht. Aufgrund der akuten Herzschwäche sind aber die „Herzhormone“, die sogenannten natriuretischen Peptide, zwei- bis vierfach stärker erhöht als beim Herzinfarkt. Diese regen die Nieren an, mehr Natrium und Wasser auszuscheiden. Um die Diagnose eines Broken-Heart-Syndroms abzusichern, nehmen die Ärzte häufig eine Magnetresonanztomografie des Herzens vor. „Im Gegensatz zum Herzinfarkt sieht man auf der Aufnahme keine Narben im Bereich der Herzwand“, betont Dr. Schneider.

Dass das TTS offenbar auch langfristige Risiken birgt, geht aus Daten aus dem „Scottish Takotsubo Registry“ (2024) hervor. Die Studie mit 620 Betroffenen mit diagnostizierter Takotsubo-Herzschwäche ergab, dass das Sterberisiko nach einer überwundenen TTS-Episode im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht bleibt (1).

Herz pumpt nach wenigen Tagen wieder normal

Die Akutbehandlung eines TTS entspricht grundsätzlich der von Menschen mit einer Herzschwäche und den entsprechenden Symptomen. In der Regel erhalten die Patienten wassertreibende Medikamente, in schweren Fällen kann eine Beatmung notwendig sein, bei einem Kreislaufschock kommen mechanische Herzunterstützungssysteme zum Einsatz. Schwere Herzrhythmusstörungen werden medikamentös oder mit einem Elektroschock behandelt. Damit sich keine Blutgerinnsel in der linken Herzkammer bilden, werden im Akutstadium blutverdünnende Medikamente gegeben. Meist normalisiert sich die Pumpfunktion des Herzens innerhalb von vier bis fünf Tagen, in manchen Fällen dauert es wenige Wochen. Eine Gefahr in dieser Zeit: Wenn die Herzspitze wieder aktiv pumpt, kann es dazu kommen, dass Blutgerinnsel, die sich dort gebildet haben, ausgeworfen werden, in die Blutbahn geraten und ein Blutgefäß verstopfen.

Zwischen vier und zehn Prozent der Menschen, die ein Broken-Heart-Syndrom hinter sich haben, erleiden im Laufe ihres Lebens nach Monaten und Jahren einen Rückfall. Es wurden auch mehrere Rückfälle in größeren zeitlichen Abständen beobachtet. „Bisher sind keine Medikamente bekannt, die ein Rezidiv verhindern.“, sagt die Kardiologin Dr. Schneider. Da hilft auf jeden Fall eins: Wenn möglich, den Stress reduzieren.

(Text: PM Deutsche Herzstiftung e.V.)