ANgeDACHT – Alles wird neu und anders – oder?

198
Pfarrerin Anette Röder - Klinik- und Hospizseelsorgerin im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau. Foto: Privat

Geistliches Wort zum Jahreswechsel von Pfarrerin Annette Röder

DREIEICH-RODGAU (PM). Ein ungewöhnlicher Jahreswechsel. Ein Jahr mit der Corona-Pandemie liegt hinter uns und noch immer stecken wir im Ungewissen. Das Leben läuft ganz und gar nicht in vertrauten Bahnen. Wie wird es sein, wenn alles wieder „normal“ ist – oder bleibt alles ganz anders? Vermeintliche Gewissheiten sind erschüttert, weil sich gezeigt hat, wie verletzlich unser Leben ist und bleibt. Wie wird das neue Jahr werden?

„Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“
Lk 6,36

Diese Worte aus der „Feldrede“ bei Lukas stehen als Losung für das Jahr 2021. Jesus spricht vor einer großen Menschenmenge, und es wird beschrieben, wie heilsame Kraft von ihm ausgeht. Wo Menschen Gott begegnen und vertrauen, da erfahren sie lebensförderliche Energie Gottes. Das ist es, was wir brauchen in diesen Tagen und Wochen. Diese Energie wird beschrieben als die Kraft der Liebe, der Barmherzigkeit, die Leben verändern kann.

Barmherzig – ein Begriff, der zunächst altertümlich klingt. Im Duden finden sich Synonyme, die ein wenig vertrauter klingen: gütig – milde – mitfühlend – nachsichtig – mildtätig – gnädig.
Barmherzigkeit trifft uns Menschen im Inneren und führt zum Nächsten im Handeln. Es bleibt nicht beim Mitleiden, sondern geht ins Tun über. Es bleibt nicht bei dem Gefühl, „Ich verstehe, wie schwierig es gerade ist“, sondern geht weiter aus dem Verstehen ins Miteinander-Wege-suchen.

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ Das ist kein moralischer Appell Jesu. Es erinnert uns an die Erfahrungen, die wir mit Gott schon gemacht haben und die wir immer wieder machen können. Gott ist gnädig und gütig zu uns. Aus dieser Kraft und Gnade leben wir, weil Gott die Liebe ist. Und deshalb, weil wir zuerst Barmherzigkeit erfahren haben, können wir von dieser Kraft weitergeben.

Jesus fordert dazu auf, nicht an sich selbst, sondern an den anderen zu denken. Das ist die tiefe Dimension von Barmherzigkeit. Die Not des anderen zu sehen, sich einzufühlen, zu überlegen, wie es dem anderen jetzt geht und daraus zu handeln. Sie alle kennen das Sprichwort: „Was du nicht willst, was man dir tu‘, das füg auch keinem andern zu.“ Umgewandelt: Was du möchtest, dass dir getan wird, das tu dem anderen. Das ist Barmherzigkeit. An meinen Arbeitsstellen im Krankenhaus und in der Hospizarbeit erlebe ich das täglich. Pflegekräfte, Ärzt*innen, Reinigungs- und Verwaltungskräfte, alle geben ihr Bestes, handeln barmherzig, um Menschen durch diese schwere Zeit zu begleiten.

Bei all den Herausforderungen, die 2021 für uns bereitstellt, brauchen wir Kraft und Energie, die heilend ist. Natürlich hoffen wir auf den medizinisch wirksamen Impfstoff. Aber wir brauchen auch Heilung für unser Miteinander in unserer Gesellschaft, die durch die Pandemie immer wieder vor große Herausforderungen gestellt wird:
Barmherzigkeit. Mögen wir bei allem, was wir loslassen müssen und was sich verändert,
den annehmenden Umgang, den freundlichen Blick und die anpackende Hand, das mitfühlende Verständnis und den gemeinsamen Aufbruch in ein neues Miteinander im neuen Jahr erleben.

Pfarrerin Annette Röder
Klinik- und Hospizseelsorgerin im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau

 

Hinterlasse eine Antwort

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Name bitte hier reinschreiben