„Tropical“-Gelände: Durchbruch oder Desaster?

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Keine schicke Visitenkarte am östlichen Ortseingang von Münster ist die ehemalige Diskothek „Tropical“. Seit vier Jahren stockt die Entwicklung des Areals. (Foto: jedö)

Seit vier Jahren wollen zwei Investoren das Areal mit der einstigen Disko entwickeln / Woran es hakt und was in diesen Tagen passieren könnte

Münster (jedö) Als die Civil GmbH Ende 2016 das Grundstück samt ehemaliger Diskothek „Tropical“ vom privaten Vorbesitzer erwarb, war die Sache für die Investoren Cagdas Güven und Ali Ekrem Celik eigentlich klar: Das Bestandsgebäude sollte erhalten, kernsaniert und künftig als „Boardinghouse“ mit kleinen Apartments und hotelähnlichem Service geführt werden. Doch in der Folge sollte vieles anders laufen als geplant – und sich der optisch wenig schmeichelhafte Fleck am östlichen Ortsrand Münsters binnen vier Jahren nicht zum Besseren wandeln. Woran es hakt – und was in diesen Tagen passieren könnte.

Noch 2017, kurz nach vollzogenem Kauf, war sich Cagdas Güven sicher: Einem schnellen Umbau zum Boardinghouse würde wenig im Wege stehen. „Wir wussten ja, dass es sich um ein Grundstück in einem reinen Gewerbegebiet handelt“, sagt der Geschäftsführer des in Dieburg ansässigen Unternehmens. Um gleich mitzubeantworten, weshalb zu vergangenen Diskozeiten und auch aktuell, da das Objekt auf dem 2 000 Quadratmeter großen Gelände gewerblich rudimentär als Lager dient und zudem noch die Kneipe „Stadtwache“ beherbergt, zudem Menschen im Obergeschoss wohnen: Das ist in bestimmten Fällen auch in reinen Gewerbegebieten möglich, etwa wenn Unternehmer zugleich auf ihrem Firmengelände wohnen wollen oder müssen.

Für Güven, der das Areal operativ entwickelt, und Celik, der vor allem als Geldgeber fungiert, schien damals auch nach ersten Gesprächen mit der Münsterer Bauverwaltung klar, dass ihr Vorhaben gelingen würde. Das Bauamt des Landkreises Darmstadt-Dieburg bremste die Civil GmbH jedoch aus: Die Argumentation der Behörde gegen die Entstehung eines Boardinghouse an dieser Stelle habe vor allem darauf beruht, dass das Tropical nach seinem Umbau „Wohncharakter“ bekommen hätte, berichtet Güven. Geplant waren 30 kleine Zimmer mit Rezeption und weiterem Service, „das wären keine klassischen Wohnungen geworden, weshalb es aus unserer Sicht rechtlich als gewerbliche Nutzung einzustufen gewesen wäre“, blickt der Unternehmer zurück. Diese Einstufung, so erfuhren die Investoren zu ihrer Verwunderung vom Kreisbauamt, wäre jedoch nur bei einem „echten“ Hotelbetrieb, nicht aber bei einem Boardinghouse als Art „Zwitter“ aus Wohnhaus und Hotel gegeben gewesen.

Ein Hotel aber hatte der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Investoren beim Kauf des Geländes nicht zugrunde gelegen. Da kam eine andere Idee auf – laut Güven angestoßen vom damaligen, 2020 abgewählten Bürgermeister Gerald Frank (SPD) und dem damaligen Wirtschaftsförderer Olaf Burmeister-Salg, der die Gemeinde vergangenes Jahr auf eigenen Wunsch hin verließ. „Herr Frank und Herr Burmeister-Salg haben sich sehr dafür eingesetzt, dass auf dem Gelände etwas passiert“, lobt Güven zunächst. „Schließlich waren Grundstück und Gebäude so, wie sie im Augenblick und schon seit Jahren vor sich hin verfallen, auch aus ihrer Sicht keine gute Visitenkarte am Ortseingang von Münster.“

Frank habe für das – bisher nur rein für Gewerbe vorgesehene – Areal auch Wohnungen ins Spiel gebracht, gemischt mit einer gewerblichen Nutzung, „diese Idee kam von ihm“, betont Güven. Solch ein Mix entsteht in naher Zukunft auf dem „Seerich“-Grundstück am Feldkreuz schräg gegenüber, nur einen Steinwurf über den Kreisel entfernt: Dort will ein Investor einen Netto-Markt bauen, über dem auch zahlreiche Wohnungen errichtet werden sollen (wir berichteten). Dieses Grundstück liegt allerdings in einem Mischgebiet.

Güven konnte dem Ansinnen von Frank, der stets für die Schaffung gerade kleinerer, altersgerechter und erschwinglicher Wohneinheiten plädierte, aber auch das dringend nötige Wachstum der dürftigen Münsterer Gewerbesteuer-Einnahmen nicht übersah, durchaus etwas abgewinnen. Neue Pläne entstanden, die zuletzt einen Abriss des Tropical und den Neubau von zwei großen Gebäuden auf der Fläche vorsahen. Sie sollten über einer Tiefgarage liegen, je drei Vollgeschosse plus Staffelgeschoss haben und beide im Erdgeschoss Gewerbeflächen sowie darüber Wohnungen beherbergen. „So würden rund 350 Quadratmeter für Gewerbe, zum Beispiel Läden und ein Restaurant, und 2 200 Quadratmeter Wohnfläche entstehen“, quantifiziert Güven die jüngsten Planungen.

In diese steckten die Investoren auch deshalb Geld, weil sie davon ausgingen, das Gebiet mit dem Tropical-Gelände lasse sich bei entsprechendem Willen aller Beteiligten letztlich für eine solche „urbane“ Nutzung mit Wohn- und Gewerbemix umwidmen. Nach dem Wechsel im Chefsessel des Rathauses und auch personellen Veränderungen in der Bauverwaltung könnte aber gerade diese Verwandlung vom reinen Gewerbeareal in ein Mischareal zum Knackpunkt werden. Der neue Bürgermeister Joachim Schledt (parteilos) schildert die Krux an der Sache: „Stand jetzt wollen wir das Risiko nicht eingehen, auf diesem Grundstück Wohnungen zuzulassen.“ Denn in der Nachbarschaft gebe es schon andere Gewerbebetriebe, „und wenn diese dann von einem Bewohner der neuen Wohnungen – etwa hinsichtlich Lärm – als Belastung empfunden werden, könnten diese bestehende Betriebe Probleme bekommen“. Das gelte es zu vermeiden, „eine Genehmigung für eine urbane Nutzung könnte die Gemeinde am Ende in Schwierigkeiten bringen“, so Schledt.

Cagdas Güven bewertet das Risiko weit geringer als die Gemeinde. Vor wenigen Tagen tauschten sich Investor und Bürgermeister persönlich aus, noch ohne konkretes Ergebnis. Vereinbart wurde lediglich weitere Bedenkzeit. Noch fehlt die Antwort auf die Frage: Gelingt der Durchbruch in Form einer Bebauung, mit der Investor wie Gemeinde leben können (und auch das Ortsbild vom Verschwinden eines Schandflecks profitieren würde)?

Oder aber, zweite Möglichkeit, sieht die Civil GmbH in Kürzen keine Chance mehr auf eine rentable Bebauung des Grundstücks? Zweitgenannter Fall wäre für alle Seiten ein Desaster: Güven deutet bereits an, dass das Areal dann noch viele Jahre lang ohne vernünftige Nutzung im Status quo verharren könnte. „Wir würden es wohl nicht wieder verkaufen, denn wir haben ja schon viel Geld in die Planungen gesteckt.“ Stattdessen würde man in der Bestandsimmobilie vermutlich schlicht die Wohnungen an Arbeiter und die einstige Tanzfläche als Lager vermieten. Damit bliebe es noch lange bei der für alle Seiten wenig erbaulichen Situation.

 

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