„Zwei Möglichkeiten: Verwahrentgelt – oder Gier frisst Hirn“

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Mehr als 100 Euro gehen der Gemeinde Eppertshausen täglich aus ihrer Millionen-Rücklage flöten. Grund sind die Minuszinsen, die die Kommune im Gegenzug für eine sichere und jederzeit verfügbare Verwahrung des Gelds schlucken muss. Tut eine Stadt oder Gemeinde das nicht, muss sie wie im aktuellen Fall der Bank Greensill mit dem Totalverlust des Eingezahlten rechnen. (Foto: jedö)
Die Gemeinde Eppertshausen zahlt für ihre Millionen-Rücklage dieses Jahr 38 000 Euro Strafzinsen / Greensill-Insolvenz zeigt, dass Alternativen riskant sind

EPPERTSHAUSEN (jedö) – Vorige Woche eröffnete das Amtsgericht Bremen das Insolvenzverfahren gegen die Bank Greensill. Der Bremer Tochter eines britisch-australischen Finanzkonglomerats droht die Überschuldung – und auch mehrere Dutzend deutscher Kommunen (und damit der Steuerzahler) zählen zu den Betroffenen.

Da die gesetzliche Einlagensicherung für Privatkunden greift, für Städte und Gemeinden aber nicht, verlieren diese voraussichtlich hohe Beträge, die sie bei Greensill angelegt hatten. Der Stadt Osnabrück könnten so beispielsweise 14 Millionen Euro flöten gehen, dem Land Thüringen gar 50. Auch im Taunus haben sich Kommunen von (vermeintlich) attraktiven Greensill-Konditionen zur riskanten Anlage von Steuergeld verlocken lassen. Eppertshausen, das Ende 2020 über 8,5 Millionen Euro in der Rücklage hatte, ist davon nicht betroffen. Der Eppertshäuser Weg, Ersparnisse sicher und schnell verfügbar auf die hohe Kante zu legen, hat aber ebenfalls seinen Preis. Für 2021 kann ihn Bürgermeister Carsten Helfmann (CDU) recht genau beziffern: Auf Grundlage der 8,5 Millionen Euro muss die Gemeinde in diesem Jahr voraussichtlich rund 38 000 Euro an „Verwahrentgelt“ an die Sparkasse Dieburg zahlen. „Bis Ende 2020 hatten wir dort noch einen Freibetrag von drei Millionen Euro“, sagt Helfmann, der selbst gelernter Bankkaufmann ist. „Seit dem 1. Januar beträgt der Freibetrag nur noch eine Million.“

Bedeutet konkret: Auf 7,5 Millionen Euro muss die Gemeinde Eppertshausen Strafzinsen zahlen. „Die Verzinsung lag mal bei minus 0,4 Prozent, inzwischen sind es minus 0,5 Prozent“, so der Rathaus-Chef mit Betonung auf „minus“. Dafür, dass die Sparkasse die in den vergangenen Jahren erwirtschaftete Rücklage der Kommune sicher verwahrt, erhebt sie Minuszinsen – weil sie die ihrerseits auf Einlagen bei der Europäischen Zentralbank zahlen muss. Erspartes wird so aktuell nicht belohnt, sondern bestraft. Schon bei Nullzinsen wäre das der Fall, weil die Rücklage in der Regel allein durch die Inflation an Wert verliert (eine Deflation gab es in Deutschland schon lange nicht mehr). Das Verwahrentgelt macht den Verlust aber noch direkter sichtbar. Pro Tag gehen aus Eppertshausens Rücklage derzeit mehr als 100 Euro flöten.

Warum aber legt die Gemeinde das sauer ersparte Geld nicht bei einem Anbieter an, der auf ein Verwahrentgelt verzichtet oder es gar leicht positiv verzinst? Solche Anbieter gibt es durchaus – und sie fanden auch unter den Kommunen ihre Kunden, wie der Fall Greensill zeigt. Die Bank, inzwischen von der Bafin geschlossen, lockte noch vor wenigen Monaten mit Festgeld-Verträgen, die bis zu (plus) 0,3 Prozent Zinsen versprachen. Beispielsweise in Dieburg wurde Greensill noch vor kurzer Zeit mit Angeboten vorstellig. Die frühere Kreisstadt lehnte ab. Auch mit Helfmann und dem Eppertshäuser Rathaus waren und sind derlei Wagnisse trotz der Geldvernichtung in der aktuellen Konstellation nicht zu machen. „Es gibt zwei Möglichkeiten“, sagt der Bürgermeister. „Entweder wir zahlen ein Verwahrentgelt an ein seriöses Institut mit bestmöglichem Ranking – oder Gier frisst Hirn.“ Theoretisch könnte die Eppertshäuser Gemeindevertretung eine „Anlage-Richtlinie“ beschließen, die der Verwaltung eine bestimmte Beinfreiheit für riskantere Geldanlagen gewähren würde. „Eine solche Richtlinie haben wir aber nicht beschlossen, so dass wir die Rücklage aktuell nur aufs Tagesgeldkonto legen können.“

Das hat zugleich den Vorteil, dass das Geld jederzeit verfügbar ist. Wobei selbst langfristige, für zehn Jahre vereinbarte Anlagen mit einer zu Bundesschatzbriefen vergleichbaren Sicherheit nach Helfmanns Recherchen derzeit Minuszinsen von 0,01 Prozent bedeuten würden. Also parkt die Gemeinde – über die Hessische Städte- und Gemeindekasse – ihr Erspartes weiter wie geschildert. In Bälde könnte Eppertshausen ohnehin einen Batzen davon abheben und investieren: Dann nämlich, wenn der Bau einer dritten Kindertagesstätte im Ort konkret und trotz Landeszuschüssen Millionen aus dem Gemeindesäckel verschlingen wird. Mit sinkender Rücklage würden sich auch die Ausgaben fürs Verwahrentgelt reduzieren. Denn nur wer hat, dem kann man nehmen.

 

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