Staatliche Hilfe kommt nicht an – Studie zeigt Defizite bei Wohlfahrtspflege

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(Symbolfoto: Pixabay)

Frankfurt. Die Hilfsprogramme der Regierung erreichen die Organisationen der Wohlfahrtspflege nicht. Dies macht eine Umfrage deutlich, die das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur für die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Hessen durchgeführt hat.

Durch fehlende Einnahmen und gestiegene Ausgaben sind den Wohlfahrtsverbänden mehr als 15 Millionen Euro Defizite entstanden, wie der heute präsentierte Bericht deutlich macht.Mehr als zwölf Monate Corona-Pandemie haben in allen Bereichen des Lebens Spuren hinterlassen. Viele Menschen haben mit Jobverlust und Existenzängsten zu kämpfen. Die Soziale Arbeit hat mit ihren Angeboten flexibel reagiert und viele Hilfen für bedürftige Menschen angepasst. Kinder- und Jugendhilfe, Beschäftigungsförderung, Migrationsarbeit oder Frauen- und Familienbildung sind jedoch selbst direkt betroffen und auf finanzielle Hilfen angewiesen. Um sich ein genaues Bild zu verschaffen, hat die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V. zusammen mit dem Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität eine Blitzlichtbefragung in ihren Einrichtungen durchgeführt. Die wichtigsten Ergebnisse und Lösungswege wurden bei einer virtuellen Pressekonferenz am Freitag vorgestellt.

„Die Wohlfahrtsverbände sind für den Zusammenhalt der Gesellschaft systemrelevant. Mit unseren Angeboten und Dienstleistungen integrieren wir schwache Gruppen und verhindern so eine weitere Spaltung der Gesellschaft. Brechen diese Angebote wegen der Pandemie weg, hat das weitreichende gesellschaftliche Folgen“, sagt Nils Möller, Vorsitzender der AG Finanzen in der Liga Hessen. „Viele Angebote sind gerade in der Pandemie für Menschen in sozialen Schwierigkeiten eine wichtige, manchmal sogar die einzige Stütze.“ Monika Maier-Luchmann, Koordinatorin im Mehrgenerationenhaus Langen: „Dass wir unseren Offenen Treff – das Herzstück unserer Vereinsarbeit – schließen mussten, trifft alle hart. Schon so lange kein Mittagstisch für Senioren und Schulkinder, keine sozialen Kontakte, keine Hausaufgabenhilfe, keine persönliche Begegnung zwischen Jung und Alt – alle vermissen es schmerzlich. Als krisenerprobtes Mütterzentrum sind wir so flexibel und kreativ wie möglich mit den immer wieder neuen Situationen umgegangen, um Familien, kranke und ältere Menschen nicht völlig allein zu lassen. Dennoch fehlten nicht nur plötzlich die Freiwilligen, die sich bisher bei uns engagierten und unser Team unterstützten, sondern auch Spenden und Teilnahmebeiträge. Für einen Verein, der einen Großteil seines Etats aus eigenen Mitteln bestreiten muss, ein riesiger Kraftakt.“

„Das ist ein wesentliches Ergebnis unserer Befragung. Viele Hilfen, die aufgelegt worden sind, haben für die heterogen strukturierte Soziale Arbeit nicht oder zumindest nicht ausreichend gepasst“, sagt Dr. Christa Larsen, Geschäftsführerin des IWAK. „Die Alten- und Behindertenhilfe ist hier eine Ausnahme; hier hat ein Teil der aufgelegten Hilfsprogramme von Bund und Land gegriffen. Aber es gibt viele Leistungen, die nicht über Leistungsvergütungssysteme, sondern über Kursgebühren, Mitgliedsbeiträge oder kommunale Zuschüsse finanziert werden, insbesondere Bildungsangebote, Kurse, Sozialkaufhäuser, zum Teil Schuldnerberatung, Familien- oder Alltagshilfen und vieles mehr. Viele dieser Organisationen konnten keine Hilfen beantragen.“ Allein für das vergangene Jahr rechnen nur die an der Befragung teilnehmenden Organisationen mit Verlusten von mehr als 15 Millionen Euro. Die Gründe: Die Angebote mussten umgestellt werden, Kursgebühren, Einnahmen durch Spenden und Gastronomie sind weggefallen, die Ausgaben stiegen jedoch, etwa für Schutzausrüstung, Digitalisierung oder Mietzahlungen.

„Bisher versuchen die Träger, die Defizite aus eigener Tasche zu finanzieren, aber es ist eine Grenze erreicht“, sagt Nils Möller. „Gerade kleinere Vereine und Organisationen sind in akuter Existenznot.“ Sein Vorschlag: ein „Sonderfond Soziales, um die Mindereinnahmen und Mehraufwendungen zu finanzieren“. Die Hilfen müssten passgenauer als bisher auf die sozialen Arbeitsfelder zugeschnitten sein, damit die soziale Infrastruktur in den Kommunen erhalten bleiben könne. Eine Möglichkeit sei auch, bestehende Förderprogramme für die Organisationen der Sozialwirtschaft zu öffnen und zielgenauer auszurichten. Insbesondere der Ausbau der Digitalisierung habe viel Geld gekostet. Die Organisationen in der sozialen Arbeit haben Hard- und Software beschafft, Mitarbeitende geschult, Onlineberatungsangebote aufgebaut – auch das großteils aus eigenen Mitteln. Hier wäre eine kurzfristige Unterstützung durch das Land dringend notwendig.

Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V. ist der Zusammenschluss der sechs hessischen Wohlfahrtsverbände. Sie vertritt gegenüber der Politik die Interessen der hilfebedürftigen und benachteiligten Menschen sowie die Interessen ihrer Mitgliedsverbände. Mit ca. 7.300 Einrichtungen und Diensten sind die Mitgliedsverbände auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Die Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege beschäftigen 113.000 Menschen beruflich, rund 160.000 sind ehrenamtlich darin engagiert.

(Text: PM)

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