Chris und Chira vergrößern Münsters Wisentherde

218
Im Mai im Muna-Gehege geboren: die beiden Wisentkälber Chris und Chiara. (Foto: jedö)

Medientermin mit Überraschungen: Als Kameraleute und Reporter am Freitagvormittag auf Einladung von Bundes-Forstbetrieb Schwarzenborn, Deutscher Bahn und Gemeinde Münster aufs Muna-Areal kamen, wurden sie nicht nur Zeuge der angekündigten Öffnung des Wisent-Geheges. Unerwartet präsentierten Bulle Shakal und die zwei Leitkühe unter den insgesamt acht Weibchen erstmaligen Zuwachs: Die Kälber Chris und Chira sind im Mai zur Welt gekommen und vergrößern seither die Herde. Zudem wurde bekannt, dass ebenfalls im Mai in einer Geheimaktion fünf lange erwartete Przewalski-Hengste aufs ehemalige Militärgelände gebracht wurden.

Kurz zu den Wildpferden: Da ab dem Zeitpunkt der Geschlechtsreife jede Przewalski-Herde aus mehreren Stuten und nur einem Hengst besteht, kommt es im Rahmen der Zucht- und Wiederansiedlungsprogramme zu einem „Männerüberschuss“. Am Rande von Breitefeld werden die fünf (nicht kastrierten) Hengste nun so lange „geparkt“, bis für sie andernorts genug Stuten zur Verfügung stehen. Die Pferde wurden direkt in der 250 Hektar großen Muna-Wildnis ausgesetzt und ließen sich am Freitag nicht blicken.

Als Hauptdarsteller waren ohnehin die Wisente vorgesehen. Anders als die Pferde sind sie schon seit einem Jahr in jener Landschaft daheim, die bis 1945 den Nazis und dann bis 1994 den Amerikanern als Munitionsanstalt diente. Mitte der 90er gab die US-Army das Depot der Bundesrepublik Deutschland zurück. Sechs Millionen Euro flossen schon in die Entmunitionierung. Laut Christoph Goebel, Leiter des Bundes-Forstbetriebs Schwarzenborn, sind die „Hotspots, aber nicht das gesamte Gelände sauber“. Trotzdem sei nicht zu erwarten, dass Wisente oder Pferde einen Blindgänger hochgehen ließen: „Ich betreue seit 25 Jahren solche Flächen. Wir haben dadurch noch nie ein Stück Rot- oder Schwarzwild verloren.“

Weiterer Unterschied zwischen Pferde- und Wisentansiedlung: Die Wildrinder, die auch Europäische Bisons heißen, verbrachten ein Jahr lang in einem zehn Hektar großen, von einem Elektrozaun umgebenen Gehege. Am Freitag öffnete sich erstmals das Tor zur (fast) unbegrenzten Freiheit: Jetzt dürfen die elf Tiere annähernd die komplette Muna, 220 zusätzliche Hektar, beweiden. Nicht der Bulle, sondern eine der Leitkühe führte die Herde nach ein paar Minuten und dem Glockengeläut vom Bundesforst-Revierleiter Harald Fuhrländer erstmals zaghaft nach draußen. Die zögerlichen Schritte samt temporärer Umkehr ins Gehege werden peu à peu einer routinierteren Ausbreitung aufs ganze Areal weichen, zumal sich die Art sowohl im Wald als auch im Offenland aufhält.

Matthias Mähliß (vorn r.), Umweltexperte der Deutschen Bahn, erläuterte am Freitag bei einem Medientermin das Projekt. Im Hintergrund der Unterstand innerhalb des Geheges, zu dem die Tiere gelockt werden können. (Foto: jedö)

Das Artenschutz-Projekt, das die Deutsche Bahn (und damit der Bund) finanziert, weil sie ökologische Ausgleichsmaßnahmen für den Bau neuer Bahntrassen umsetzen muss, sorgt nicht nur fürs Überleben der in der Natur vor ein paar Jahrzehnten ausgerotteten (und erst in wenigen Gebieten wieder ausgewilderten) Wildpferde und -rinder. Das gesamte, seit Jahrzehnten sich selbst überlassene Muna-Biotop profitiert vom Fressen, Scharren und Wandern der Großtiere – Pflanzen, Insekten, bodenbrütende Vögel. Pferde und Wisente gestalten die Landschaft abwechslungsreich, verhindern ihre totale Zuwucherung. Sogar traurige Relikte der Vergangenheit wie Sprengplätze wandeln sich zum Guten, wenn man sie der Natur überlässt: In den Gruben haben sich Tümpel zu einem Dorado für Amphibien, Insekten, Vögel und Wasserpflanzen entwickelt.

Auch die Öffentlichkeit soll im Bereich einiger ehemaliger Bunker via Aussichtsplattform und naturpädagogischen Angeboten an der Muna-Natur und besonders an seinen vierbeinigen Stars teilhaben dürfen – laut neuster Auskunft von Bundesforst und Deutscher Bahn allerdings erst ab dem Frühjahr 2022. Shakal und die Leitkühe haben schon mal geliefert: Der 900 Kilo schwere und neun Jahre junge Bulle hat mit den zwei Kälbern die nächste Attraktion gezeugt. Die Bullen sind mit acht Jahren geschlechtsreif; 2020 hatten die Projektbeteiligten noch vergeblich auf Nachwuchs in der Münsterer Wisentherde gehofft.

(Text: jedö)

Hinterlasse eine Antwort

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Name bitte hier reinschreiben