Der Star ist der Co-Trainer

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Die neue Mannschaft der Freien Sportvereinigung Münster. Stehend links Trainer Feta Suljic, stehend rechts Trainer Benjamin Frank. (Foto: jedö)
20 Monate nach dem Faustschlag gegen einen Schiedsrichter stellt die FSV Münster wieder ein Fußball-Team / Durchweg neue Spieler / „Wollen für positive Publicity sorgen“

Im November 2019 rutschte die FSV Münster bundesweit negativ in die Schlagzeilen: Im C-Liga-Spiel gegen den TV Semd streckte ein Spieler der Freien Sportvereinigung den Schiedsrichter per Faustschlag nieder. Weil die Gewalttat gefilmt und das Video öffentlich wurden, folgten regionale und nationale Medienberichte, Sport- und Zivilgerichtsverfahren und eine Abmeldung der damals von einer kurdischen Großfamilie dominierten Mannschaft durch den Verein. Nun, 20 Monate später, wagen die „Freien“ den Neustart.

Der erfolgt in der Saison 2021/22 in der niedrigsten Spielklasse, der Kreisliga D Dieburg. „Der Kreisfußball-Ausschuss hat der Anmeldung einer Mannschaft durch die FSV Münster zugestimmt“, berichtet Kreisfußballwart Heinz Zulauf (Semd). Einen formalen Grund, dem Verein das Comeback zu verweigern, gab es auch nicht: Die halbjährige Mannschaftssperre hatten die Münsterer bereits vorigen Sommer verbüßt. Schon damals gab es Bestrebungen, wieder ein Team auf die Beine zu stellen. Jetzt hat es geklappt, Rückkehr in den offiziellen Spielbetrieb inklusive.

Dafür verantwortlich sind Benjamin Frank und Feta Suljic. „Wir sind beste Freunde“, sagt Suljic. Der Draht zur FSV bestand durch Franks Vater Edmund, der bei den Alten Herren spielt. In Ralf Steiger fanden sie im Verein einen weiteren Unterstützer für die Wiederbelebung des Fußballs, der im Ort sonst fast nur beim Rivalen SV Münster stattfindet. Während sich der SV am Mäusberg kaum vor Kindern retten kann und mit der ersten Mannschaft die Verbandsliga erreicht hat, beschränkte sich der Kick bei der FSV zuletzt auf ein AH- und ein Juniorinnen-Team. Weshalb der Verein im „Grenzgebiet“ von Münster und Dieburg einen seiner zwei Rasenplätze an ein Autohaus verkaufen kann, das dort neu bauen will.

Der verbleibende Platz neben der Vereinsimmobilie mit Sporthalle, Gaststätte und Biergarten (bei der FSV gibt es auch noch Ringen und Fastnacht; nach einer aus dem Sportplatz-Verkauf finanzierten Hallenmodernisierung sollen bald neue Angebote entstehen) wird seit ein paar Wochen wieder stärker ausgelastet: Frank und Suljic haben eine Mannschaft zusammengestellt, die am 22. August mit dem Heimspiel gegen den FC Ueberau in die Runde starten wird. Frank wohnt in Groß-Zimmern, war lange verletzt, spielte 2020 mal wieder in der zweiten Mannschaft von Viktoria Dieburg.

Ganz anders die Laufbahn von Suljic, der wie Frank 27 ist: In der Vita des Stürmers stehen 79 Hessen- und 45 Verbandsliga-Spiele, unter anderem für die Spvgg. Oberrad und Viktoria Griesheim, zuletzt für Hanau 93. Kürzlich ist Suljic zum ambitionierten Gruppenligisten SG Langstadt/Babenhausen gewechselt. Spielen Münster und Babenhausen parallel, coacht Frank das Team allein. Womit Suljic ein wenig in die Rolle des Co-Trainers schlüpft, auch wenn sich beide als „Trainer-Team“ verstehen. „Ich will der Mannschaft etwas mitgeben“, sagt Suljic. „Vor allem ist es aber eine Freundschaftsgeste, die mir Riesenspaß macht.“
Seit Mai kurbelten Frank und er das Unterfangen richtig an. „Am Anfang stand eine Gruppe von Freunden, sieben Leute“, sagt Suljic. Für beide sei es „ein Kindheitstraum gewesen, eine Mannschaft unter uns Jungs zu führen. Das wurde heißer und heißer – und jetzt sitzen wir hier und geben ein Interview.“

In dem berichten sie von einem Kader, der momentan 18 Leute umfasst. „Ohne beruflich verhinderte Spieler sind wir derzeit aber eher 15“, rechnet Suljic vor. „Zwei bis vier weitere Spieler wären also noch gut, jeder kann sich gern bei uns melden.“ Das bisherige Team setzt sich sowohl aus Akteuren zusammen, die länger pausiert haben, als auch aus Zugängen von anderen Kreisligisten. So sind beispielsweise fünf Spieler der zweiten Mannschaft von Viktoria Klein-Zimmern (Kreisliga C) nach Münster gewechselt. Führungsrollen sollen Kapitän und Sechser Ahmed Hakimi, Linksaußen Ozan Kaptan und Angreifer Rinor Suljic – der Bruder von Feta Suljic – einnehmen.

Trainer Benjamin Frank hat das Team zusammen mit Feta Suljic aus der Taufe gehoben und wird auch selbst die Kickschuhe schnüren. (Foto: jedö)

Benjamin Frank wird als spielender Trainer ebenfalls selbst auflaufen. Er beschreibt einen Kader, in dem die Spieler zwischen 20 und 30 Jahre jung sind und der komplett aus Neulingen besteht. Von der FSV-Mannschaft der Saison 2019/20 ist niemand mehr da, der Neustart verdient auch personell seinen Namen. Im neuen Team bilden Deutsche, Türken, Afghanen, Kroaten und Albaner eine Multikulti-Truppe, „aber von keiner Gruppe zu viele“, merkt Suljic augenzwinkernd an.

Sportlich sind die Ambitionen („Die anderen Teams ärgern und in allen 28 Saisonspielen antreten“) bescheiden. Das einzige Testspiel der Vorbereitung bestritt man gegen die eigenen Alten Herren (3:2). Zuvorderst will man durch vorbildliches Verhalten auf und neben dem Platz das Vertrauen in die FSV-Fußballer wieder herstellen. „Wir wollen hier für positive Publicity sorgen“, skizziert Frank das zentrale Vorhaben. „Wir wollen seriös spielen und überall anständig auftreten.“

Dies ist ganz im Sinne des FSV-Vorstands, der den Weg fürs Comeback freimachte. Vorsitzender Peter Samoschkoff: „Die Mannschaft soll Fußball spielen – und sonst gar nichts!“ Perspektivisch wolle man „das ausbauen, nächstes oder übernächstes Jahr den Rasenplatz erneuern“ – und peu à peu auch die Jugendarbeit wiederbeleben.

(Text: jedö)

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