„SEK-Auflösung war unumgänglich, Neustart hat begonnen“

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(Symbolfoto: fsHH auf Pixabay)

Expertenstab präsentiert Ergebnisse: SEK SÜD ab Ende des Monats im Einsatz. Wichtige Weichen für neue Führungs- und Fehlerkultur im Kommando gestellt. Spezialeinheiten werden in Hessische Bereitschaftspolizei integriert.

Nach rund zehn Wochen intensiver Arbeit hat der Expertenstab zur Neustrukturierung des Spezialeinsatzkommandos (SEK) unter der Leitung des Polizeipräsidenten des Präsidiums Westhessen, Stefan Müller, grundlegende Reformen empfohlen. Gemeinsam mit dem Leiter des Demokratiezentrums an der Universität Marburg, Dr. Reiner Becker, präsentierte Stefan Müller die wichtigsten Ergebnisse der Analyse des 14-köpfigen Gremiums. Innenminister Peter Beuth hatte den Expertenstab unmittelbar nach der Auflösung des SEK Frankfurt am 10. Juni  mit der Aufarbeitung von Fehlentwicklungen innerhalb der Einheit beauftragt. Außerdem sollten die organisatorischen Bedingungen für einen Neustart des für die hessische Sicherheitsarchitektur wichtigen Kommandos geprüft werden.

Den Empfehlungen des Stabes folgend erklärte Innenminister Peter Beuth, dass die Hessische Bereitschaftspolizei künftig zu einem zentralen Einsatz-Dienstleister der Polizei weiterentwickelt und damit deutlich erweitert werden solle. „Die Spezialeinsatzkommandos sollen wie bisher an ihren strategisch günstigen Standorten verbleiben. Organisatorisch werden sie aber zu einem SEK Hessen zusammengeführt und im Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidium angesiedelt sein, wie künftig auch weitere Spezialeinheiten. In der Übergangsphase bis zur Umsetzung der Neuorganisation wird die neustrukturierte Einheit in Frankfurt als SEK SÜD zum Monatsende mit neuer Führungsstruktur und -kultur wieder im Einsatz sein“, erläuterte der Innenminister.

Aus dem Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidium soll ein erweitertes Einsatz-Präsidium werden. Die Bereitschaftspolizei beheimatet bereits unter anderem die Einsatzeinheiten, die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, die Polizeifliegerstaffel sowie die Wasserschutzpolizei, die hessenweit für alle Polizeipräsidien im Einsatz sind. Hinzukommen sollen neben dem SEK Hessen zwei Mobile Einsatzkommandos sowie die auf kommunikative Lagelösung spezialisierte Verhandlungsgruppe. Insbesondere für Ausbildung, Beschaffung, Training und Nachwuchsrekrutierung der hessischen Spezialeinheiten erwartet der Expertenstab deutlich positive Effekte durch diese Umstrukturierung unter dem Dach des Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidiums. Der Prozess soll bis Mitte 2022 abgeschlossen sein.

Wichtigste Weichen für SEK SÜD wurden gestellt

In den vergangenen Wochen wurden die im SEK SÜD verbliebenen Beamten, denen keine strafrechtlichen Vorwürfe gemacht werden, eng betreut. Darüber hinaus wurde das Kommando mit externem Führungspersonal stabilisiert. Umfangreiche Präventionsmaßnahmen wurden durchgeführt und Fehlentwicklungen der Vergangenheit intensiv beleuchtet. Polizeipräsident Stefan Müller sagte, dass die wichtigsten Weichen für das neue SEK SÜD nun gestellt seien. „Wir haben mit allen Ressourcen der hessischen Polizei im Kommando einen tiefgreifenden Aufarbeitungs- und Reflexionsprozess angestoßen. Dazu konnten wir auf die Mitarbeit der verbliebenen Einsatzbeamten zählen und haben Unterstützung von zahlreichen Experten zu rechtlichen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen sowie dem Integritätsbeauftragten bekommen. Die neue Führungsebene der Einheit wird dafür sorgen, dass dieser Prozess nachhaltig fortgesetzt wird. Ab der kommenden Woche wird das Kommando wieder operativ eingesetzt und seinen wichtigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung leisten“, so der Leiter des Expertenstabes.

Innenminister Peter Beuth dankte dem Expertenstab für die intensive Arbeit und umfangreichen Empfehlungen und sagte: „Die tiefgehende Analyse unterstreicht, dass die Auflösung des bisherigen SEK Frankfurt unumgänglich war. Über die Beteiligung in möglicherweise strafrechtlich relevanten Gruppenchats hinaus hatte sich das Kommando insgesamt von der Gesamtorganisation abgekoppelt und ein von übersteigertem Korpsgeist geprägtes Eigenleben entwickelt, das für eine Polizeieinheit nicht tolerierbar ist. Die unbestrittenen operativen Erfolge der Einheit standen offenkundig über der Einhaltung bestehender Regeln für Spezialeinheiten in Hessen. Die maximalen Verwendungszeiten des Führungspersonals wurden deutlich überschritten. Es gab wenig Raum für kritische Selbstreflektion, stattdessen wurde eine ungesunde Selbsterhöhung gelebt. Die Führungs- und Fehlerkultur im und für das SEK hatte versagt, der Wertekompass ist in die falsche Richtung verrutscht. Auf Grundlage der Empfehlungen des Expertenstabs wurde nun der umfassende Neustart für ein zukünftiges SEK Hessen eingeleitet.“

Der Leiter des Demokratiezentrums an der Universität Marburg, Dr. Reiner Becker, erklärte: „Die Fehlentwicklungen im SEK Frankfurt zeigen wie im Brennglas die Problemstellungen, mit denen wir uns in der Expertenkommission beschäftigt haben. Hier kumulierten sie aber scheinbar aufgrund mangelhafter Führung in einer geschlossenen Einheit, abgekoppelt vom Rest der Polizei und der Gesellschaft, in deren Dienst sie eigentlich steht. Ein völlig falsch verstandener Korpsgeist, eindimensionales Freund-Feind-Denken, die Militarisierung der Sprache und die Verwendung von doppeldeutigen Symbolen, die auch in der rechtsextremen Szene Verwendung finden, sind mit einer Polizei unserer pluralistischen Gesellschaft absolut unvereinbar.“

(Text: PM Hessisches Ministerium des Innern und für Sport)

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