Interview mit dem Chefarzt Dr. med. Klaus Eisenbeis, Orthopäde, Sportmediziner und Schulterspezialist aus der Asklepios Klinik in Seligenstadt.
Herr Dr. Eisenbeis, zunächst einmal vielen Dank für die Möglichkeit des Interviews mit Ihnen! Sie sind Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie der Asklepios Klinik in Seligenstadt und schon seit mehreren Jahren für die medizinische Betreuung von Sportlern aller Leistungsklassen tätig, darunter auch der Eishockey-Bundesligamannschaft LÖWEN Frankfurt. Welche Rolle spielt denn Ihre Fachrichtung im Eishockey?
Dr. Eisenbeis: Eine sehr große! Eishockey ist zum Glück nicht die Sportart mit den meisten Verletzungen. Das ist nämlich mit Abstand Fußball. Aber aufgrund der Schnelligkeit und der eingebrachten hohen Energien kommt es beim Eishockey auch nicht selten zu relevanteren Verletzungen. Die meisten Läsionen, nämlich Platz- oder Risswunden im Gesicht, können wir schon vor Ort beheben. Durch eine sofortige stabile Naht der Wunde kann der Spieler meistens auch gleich wieder aufs Eis.
Und was sind die schwereren Verletzungen?
Dr. Eisenbeis: Hier dominieren Kopfverletzungen, z. B. Gehirnerschütterungen, dann folgen Schulterverletzungen, Hand- und Knieverletzungen. Also in der Reihenfolge der Häufigkeit von oben nach unten.
Stichwort Schulter: Herr Dr. Eisenbeis, Sie sind ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Schulterchirurgie. Was können Sie uns denn zu Schulterverletzungen im Eishockey sagen?
Dr. Eisenbeis: Diese Verletzungen sind leider nicht immer trivial. Oft kommt es, wie auch in anderen Sportarten, zu Verletzungen des sogenannten Schultereckgelenkes. Das ist ein kleines Gelenk oberhalb der eigentlichen „Kugel“ des Schultergelenkes. Dieses Eckgelenk wird aus Schulterdach und Schlüsselbein gebildet und kann regelrecht auseinanderreißen. Dies ist sehr schmerzhaft; außerdem steht dann infolge der Gelenkanteil des Schlüsselbeins höher, so dass eine spontane Heilung schwierig wird. Noch dramatischer aber läuft die sogenannte Schulterluxation ab. Hierbei kugelt das eigentliche Schultergelenk komplett aus, verbunden mit wirklich stärksten Schmerzen.
Dann ist schnelle Hilfe gefragt: Durch spezielle Manöver der Ärzte vor Ort wird durch kontinuierlichen kräftigen Zug am Arm versucht, die Schulter wieder reinzukriegen. Gelingt dies aufgrund der hohen Muskelmasse nicht, ist sogar eine kurze Narkose notwendig. Dies wird dann aber in der Klinik gemacht.
Hat so eine Verletzung denn weitere Folgen?
Dr. Eisenbeis: Leider ja. In den meisten Fällen kommt es bei der Auskugelung zum Abriss einer wichtigen Struktur von der Pfanne, nämlich dem sogenannten Labrum. Dies ist ein weichteilige „Gelenklippe“, die den Oberarmkopf normalerweise in der Pfanne hält (ähnlich einem Saugnapf). Ohne diese Gelenklippe kommt es dann in Zukunft schon bei leichteren Anlässen zur Luxation. Im Extremfall reicht schon eine Bewegung wie beispielsweise Haare föhnen zur erneuten Auskugelung.
Und was macht man dann?
Dr. Eisenbeis: Ist der Labrumabriss durch das MRT bewiesen, sollte es durch eine arthroskopische Operation, also die sogenannte Schlüssellochtechnik, wieder an der Pfanne fixiert werden. Dies führt zu einer voll belastbaren Schulter. Mit oder ohne Operation ist der Spieler dann aber mehrere Wochen außer Gefecht.
Herr Dr. Eisenbeis, Sie haben die Löwenspieler in den letzten Jahren vor allem auch an der Bande betreut. Welcher Moment Ihrer ärztlichen Tätigkeit ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?
Dr. Eisenbeis: Das war tatsächlich die Schulterluxation eines gegnerischen Spielers. Dieser wollte einen Check mit vollem Anlauf durchführen und ist dabei nur gegen die Bande gekracht, direkt vor meinen Augen. Wir sind dann gleich raus aufs Eis. Dass die Schulter ausgekugelt war, war klar. Es war auch nicht die Erstluxation bei dem Spieler. Selber auch auf dem Eis liegend, haben wir am Arm gezogen. Aufgrund der Muskelspannung konnte hier aber keine Reposition (also das Wiedereinrenken der Schulter) erreicht werden. Erst in der Kabine auf der Liege ging die Schulter mit einem spürbaren Schnappen wieder rein. Das war dann für den Spieler sofort eine große Erleichterung!
Herr Dr. Eisenbeis, vielen Dank nochmal für dieses wirklich interessante Interview!
Dr. Eisenbeis: Sehr gerne!
(Text: PM Löwengebrüll)